Deutschland stärkt Aufständische

Bengasi/Tripolis. Mit einem Blitzbesuch in der libyschen Rebellenhochburg Bengasi haben Außenminister Guido Westerwelle (FDP) und Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) den Aufständischen demonstrativ den Rücken gestärkt. Beim ersten Besuch deutscher Regierungsvertreter seit Kriegsbeginn erkannte Westerwelle den Übergangsrat auch als legitime Vertretung des libyschen Volkes an

 Entwicklungsminister Niebel, Außenminister Westerwelle und der Vizepräsident des Übergangsrates, Abdel Hafis Ghoga (v.l.), lassen sich mit Kindern in traditionellen Trachten fotografieren. Foto: dpa

Entwicklungsminister Niebel, Außenminister Westerwelle und der Vizepräsident des Übergangsrates, Abdel Hafis Ghoga (v.l.), lassen sich mit Kindern in traditionellen Trachten fotografieren. Foto: dpa

Bengasi/Tripolis. Mit einem Blitzbesuch in der libyschen Rebellenhochburg Bengasi haben Außenminister Guido Westerwelle (FDP) und Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) den Aufständischen demonstrativ den Rücken gestärkt. Beim ersten Besuch deutscher Regierungsvertreter seit Kriegsbeginn erkannte Westerwelle den Übergangsrat auch als legitime Vertretung des libyschen Volkes an. In Bengasi kamen die Minister mit Vertretern des Übergangsrates zusammen und eröffneten ein deutsches Verbindungsbüro. "Wir sind nicht neutral, sondern wir stehen an der Seite der Demokratie und der Freiheit", sagte Westerwelle nach einem Treffen mit dem Außenminister des Übergangsrats, Ali al-Essawi. Bisher wurde die Übergangsregierung von deutscher Seite lediglich als "ein" legitimer Vertreter bezeichnet.Westerwelle verteidigte erneut die deutsche Haltung, sich nicht an den Militärschlägen gegen Gaddafi zu beteiligen. "Das wird respektiert, weil wir sehr viel humanitär tun." Anlässlich des Besuchs verdoppelten Westerwelle und Niebel die Mittel für humanitäre Hilfe auf mehr als 15 Millionen Euro.

Der Außenminister zeigte sich sicher, dass das Ende des Gaddafi-Regimes "nur noch eine Frage der Zeit" sei. "Er muss gehen und er wird gehen. Davon sind wir fest überzeugt", sagte Westerwelle. Gaddafi führe einen Krieg gegen das eigene Volk. "Unser Ziel ist ein freies, friedliches und demokratisches Libyen ohne Gaddafi", sagte Westerwelle.

Al-Essawi, sprach von "sehr großen Chancen" für die künftige Zusammenarbeit zwischen Libyen und Deutschland. Er zeigte Verständnis für das Ausscheren aus der internationalen Militäraktion gegen Gaddafi. Es gebe andere Wege, den Libyern zu helfen, zu ihren Rechten zu kommen.

Trotz verstärkter Aktivitäten an den verschiedenen Brennpunkten des Wüstenkriegs konnten die Rebellen in den vergangenen Tagen keine Geländegewinne erzielen. Ein Vorstoß in der Küstenstadt Al-Sawija wurde von den Regimetruppen zurückgeschlagen. Auch aus dem Gebiet zwischen Jafran, 110 Kilometer südwestlich von Tripolis, und Al-Sintan wurden schwere Kämpfe gemeldet, bei denen sich die Rebellen gegen die weit besser bewaffneten Gaddafi-Verbände nicht durchzusetzen vermochten.

Von Rückschlägen und Patt-Situationen scheinen sich die Rebellen im Westen dennoch nicht abschrecken zu lassen. Eine deutsche Mitarbeiterin der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen in Westlibyen sagte der Nachrichtenagentur dpa gestern in einem Telefoninterview, bei einem Gefecht zwischen Rebellen und Regierungstruppen seien neun Menschen getötet und 60 verletzt worden. Die Rebellen, die ihre verletzten Kameraden in die Klinik brachten, erklärten, sie wollten trotz der hohen Verluste weiter versuchen, auf die Hauptstadt vorzustoßen. "Nächste Woche sind wir in Tripolis", meinten sie.

Gaddafi machte unterdessen neue Winkelzüge. Das Staatsfernsehen zeigte am Sonntag Bilder von ihm beim Schachspiel mit dem exzentrischen Präsidenten des Weltschachverbandes FIDE, dem Russen Kirsan Iljumschinow. Auf den Fernsehbildern vermittelte der Machthaber aber den Eindruck, nicht besonders mit den Regeln des königlichen Brettspiels vertraut zu sein. dpa

"Gaddafi muss gehen, und er wird gehen."

Außenminister Guido Westerwelle

Meinung

Versuch der Kurskorrektur

Von SZ-RedakteurBernard Bernarding

Es wirkt wie ein schüchterner Versuch der Kurskorrektur. Westerwelles Blitzbesuch in Bengasi war gleichwohl richtig und wichtig, nicht nur psychologisch für die Aufständischen. In der Stippvisite wird auch das Berliner Bestreben deutlich, wieder politischen Anschluss zu finden nach dem Desaster bei der Libyen-Abstimmung im Weltsicherheitsrat. Immerhin.

Aus dem Schneider ist der Minister des Äußeren aber noch lange nicht. Westerwelle hat keinen Plan, er wird nirgendwo so recht ernst genommen. Vor einem Jahr machte er Libyens Diktator Gaddafi und Syriens Despot al Assad seine Aufwartung und forderte "konstruktive Lösungen" für den Friedensprozess in Nahost. Heute erschöpft er sich im Androhen von Sanktionen. Ist das Diplomatie - oder doch nur Symbolpolitik?

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