Deutsche Sicherheitsverwahrung rechtens

Straßburg · Bereits mit Anfang 20 vergeht sich ein heute 72-Jähriger an Kindern. Und wird inhaftiert. Nach der Entlassung wird er rückfällig. Heute wird seine Sicherheitsverwahrung immer wieder verlängert. Zu recht, sagt jetzt das höchste Europäische Gericht.

Käme er frei, würde er es vielleicht wieder tun. Karl-Heinz Bergmann ist inzwischen 72 Jahre alt. Bis heute gilt der mehrfach verurteilte Straftäter als gefährlich. Von deutschen Gerichten wurde seine Sicherheitsverwahrung deshalb immer wieder verlängert - auch über die zu seiner Verurteilung geltende Höchstdauer von zehn Jahren hinaus.

Dabei hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg bereits 2009 geurteilt, dass nachträgliche Verlängerungen einer solchen Unterbringung unzulässig sind. Bergmann reichte deshalb 2014 beim EGMR Beschwerde ein. Gestern fiel das Urteil. Bergmann muss auch weiter hinter Gittern bleiben. Der Kläger sah sein Recht auf Freiheit und Sicherheit (Artikel 5) sowie den Grundsatz, dass keine Strafe ohne ein entsprechendes Gesetz auferlegt werden darf (Artikel 7), verletzt. Deutsche Gerichte hatten allerdings auf Grundlage eines seit 2013 geltenden Gesetzes zur therapeutischen Unterbringung weiterhin die Sicherheitsverwahrung des Straftäters angeordnet. Dieses sieht vor, dass auch in Altfällen wie der Bergmanns eine Verlängerung möglich ist, sofern dessen Gefährlichkeit auf eine psychische Störung zurückgeht. Eine solche wurde bei Bergmann mehrfach festgestellt.

Bereits mit 23 Jahren verging er sich an Kindern und Jugendlichen. Sein Strafregister reichte dabei von sexuellem Missbrauch über versuchte Vergewaltigung bis hin zu Würgen und Körperverletzung mithilfe eines Messers. Meist beging er seine Taten in trunkenem Zustand und galt deshalb als vermindert schuldfähig. Er wurde zu Haftstrafen zwischen sechs Monaten und zehn Jahren verurteilt. In den 80er Jahren folgten weitere Übergriffe auf Kinder und junge Frauen.

Zwei unabhängige psychiatrische Gutachter diagnostizierten bei Bergmann eine sexuelle Devianz sowie eine Persönlichkeitsstörung. Dennoch wurde der Sexualtriebtäter 1986 wegen zweifachen versuchten Mordes, einer versuchten Vergewaltigung und zweifacher gefährlicher Körperverletzung zu 15 Jahren Haft mit anschließender Sicherheitsverwahrung verurteilt. 2001 hatte Bergmann seine Haftstrafe abgesessen und wurde in Sicherheitsverwahrung genommen. Seither haben Gerichte die Unterbringung verlängert.

Der EGMR bestätigte nun, dass in Altfällen wie Bergmanns eine nachträglich auferlegte Sicherheitsverwahrung zulässig sei: Denn sie diene dessen therapeutischen Behandlung. Die Menschenrechtskonvention lässt nach Artikel 5 §1 den Freiheitsentzug psychisch Kranker ausdrücklich zu. Bergmann ist seit 2013 in einer neuen Einrichtung in Rosberg untergebracht. Seit August 2014 verweigert der verurteilte Straftäter sowohl die Einnahme von Tabletten, die seinen Sexualtrieb dämpfen sollen als auch therapeutische Sitzungen. Beides hält aber auch der EGMR für notwendig. Seine fortgesetzte Sicherheitsverwahrung, die seiner Behandlung diene, sei deshalb nicht als Strafe zu werten, Artikel 7 wurde somit nicht verletzt. Bergmanns Unterbringung wurde zuletzt im Januar 2015 verlängert.

Meinung:

Schlimmeres verhindern

Von SZ-KorrespondentinMirjam Moll

Wenn man die Unterbringung von Karl-Heinz Bergmann als Strafe betrachtet, hätte er mit seiner Klage Recht bekommen müssen. Denn diese darf nicht schwerer ausfallen als jene, die zum Zeitpunkt der Verurteilung zulässig gewesen wäre - so sieht es Artikel 7 der Europäischen Menschenrechtskonvention vor. Aufgrund seines Krankheitsbildes wird die Sicherheitsverwahrung aber zu einer notwendigen Behandlungsmaßnahme - auch wenn er sich dieser derzeit verwehrt. Solange von verurteilten Sexualstraftätern eine Gefahr ausgeht, muss es eine Möglichkeit geben, die Gesellschaft vor ihnen zu schützen. Ein Leben in Freiheit könnte für Menschen wie Bergmann das Leid eines anderen bedeuten. Und deshalb ist die Entscheidung der Richter die einzig richtige.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort