Deutsche Chemikalien in Syrien

Berlin · Deutschland hat Chemikalien an Syrien geliefert, mit denen Nervengifte entwickelt werden können. Offen ist, ob dies auch tatsächlich geschah. Außenminister Westerwelle positionierte sich derweil im Streit um den Giftgas-Angriff im August.

Deutschland hat Syrien mehr als 100 Tonnen Chemikalien geliefert, die auch zur Herstellung von Giftgas verwendet werden können. Dies geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken hervor, die gestern veröffentlicht wurde. Die Lieferungen stammen aus den Jahren 2002/03 und 2005/06. Damals waren Rot-Grün beziehungsweise die große Koalition an der Regierungsspitze.

Die Ausfuhrgenehmigung wurde nach Regierungsangaben nur unter der Bedingung erteilt, dass die Chemikalien für zivile Zwecke genutzt werden. Demnach gibt es "keinerlei Hinweise" auf eine andere Verwendung. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die damals schon amtierte, sagte den ARD-"Tagesthemen": "Nach allen Erkenntnissen, die mir zur Verfügung stehen, sind sie für zivile Dinge benutzt worden."

Das Regime von Machthaber Baschar al-Assad steht im Verdacht, bei einem Giftgas-Einsatz im August viele hundert Menschen getötet zu haben. Deshalb soll Syrien seine gesamten Chemiewaffen-Bestände offenlegen und vernichten. Merkel sprach gestern von "sehr starken Indizien", die darauf hindeuten, dass das Assad-Regime für den Einsatz verantwortlich ist. Sie will, dass die Verantwortlichen vor den Internationalen Strafgerichtshof gestellt werden.

Zuvor hatte sich auch Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) ähnlich geäußert. "Die Indizien deuten klar darauf hin, dass das Assad-Regime die Verantwortung für diesen Tabubruch trägt", sagte er der "Süddeutschen Zeitung" im Bezug auf den Giftgas-Angriff im August. Die Recherche der UN-Inspekteure "bestätigt unsere Annahme, dass nur das Assad-Regime Material und Fähigkeiten für diesen Giftgasangriff mit so furchtbaren Folgen hatte".

Indessen hat Russland die Experten der Vereinten Nationen scharf kritisiert und ihnen unterstellt, sie seien "politisiert, voreingenommen und einseitig" vorgegangen. "Sie haben einen selektiven und unvollständigen Bericht erstellt", sagte Vize-Außenminister Sergej Rjabkow der Staatsagentur Ria Nowosti. Er war gestern in Damaskus mit Assad zusammengekommen. Russland will dem Weltsicherheitsrat nun Beweise vorlegen für den Einsatz von Chemiewaffen durch die syrischen Rebellen. Die Regierung in Damaskus habe Rjabkow Material übergeben, das die "Provokationen" vonseiten der Aufständischen zeige, sagte Außenminister Sergej Lawrow der Agentur Interfax zufolge. Zugleich versicherte Russland, niemals Sprengköpfe mit dem Nervengift Sarin an Syrien geliefert zu haben.

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