Der Widerstand gegen Trump wächst

Washington · Chaos an Flughäfen, Unsicherheit unter Muslimen, Proteste aus Politik, Sport, Kultur und Wirtschaft: Der Widerstand gegen die umstrittene Einreisepolitik von US-Präsident Donald Trump wächst weltweit.

 Die Schauspielerin Jasmin Tabatabai nennt das Verbot „unmenschlich“. Foto: Arnold/dpa

Die Schauspielerin Jasmin Tabatabai nennt das Verbot „unmenschlich“. Foto: Arnold/dpa

Foto: Arnold/dpa

Donald Trump hielt einen Moment inne, bevor er am Freitagnachmittag schwungvoll seine Unterschrift unter die Einreisestopp-Beschlüsse setzte: "Das ist ein großes Ding", sagte er.

In der Tat. Denn was bis gestern folgte, waren maximales Chaos , größtmögliche Konfusion und weitere Proteste in einem Land, dessen Bürger den neuen Präsidenten mehr und mehr als Enfant terrible empfinden, dem auf der Straße entgegen getreten werden muss. Hunderte von Anwälten meldeten sich, um kostenlos die an den Airports Internierten herauszupauken. Kongressmitglieder begaben sich in Wortgefechte mit Grenzschützern, die Anordnungen von aus dem Bett geklingelten Richtern zunächst ignorierten. Der Grenzschutz räumte dann ein, vom Weißen Haus nur wenige Zeilen Hinweise erhalten zu haben. Vieles blieb offen: Was geschieht mit Festgesetzten, mit "Greencard"-Inhabern, mit Bürgern doppelter Staatsbürgerschaft? Trump spürte einmal mehr: Über Twitter regieren ist einfach, der Teufel steckt im Detail.

Doch nun lautet die Devise: Augen zu und durch. Es werde kein Zurück geben, schließlich habe die Sicherheit der Nation Vorrang, so der Präsident in einer Erklärung. Man sieht die Dekrete als "massiven Erfolg", während gestern 16 Bundesstaats-Justizminister die Maßnahmen als "verfassungswidrig" brandmarkten und große Konzerne wie Starbucks und General Electric ebenfalls protestierten.

Doch die Daumenschrauben sollen sogar noch angezogen werden: Man erwägt offenbar, ausländische Besucher bei der Einreise bald nach ihren Social Media-Gewohnheiten und Handy-Kontakten zu befragen - ein Blick auf Profilseiten bei Facebook oder Twitter inklusive. Wer sich weigere, komme eben nicht ins Land.

Dabei ist der Widerstand selbst in der eigenen Partei gegen die jüngsten Beschränkungen erheblich. Die Senatoren John McCain und Lindsey Graham sprechen von Wunden, die sich die USA durch die Einreise-Stopps selbst zugefügt hätten. 14 weitere konservative Volksvertreter meldeten sich ebenfalls zu Wort. Senats-Mehrheitssprecher Mitch McConnell räumte ein, man sei "wohl zu weit gegangen": Schließlich sehe die Verfassung keinen Religionstest vor.

Und der frühere Trump-Freund Rudolph Giuliani , bei der Kabinettsbildung übergangen, nimmt nun keine Rücksicht mehr. Trump habe ihn angewiesen, legale Wege zu prüfen, alle Muslime zu bannen, so der frühere Bürgermeister von New York. Trump hatte am Sonntag noch das Gegenteil behauptet. Der frühere CIA-Chef Michael Morell warf Trump gestern in der Zeitung "Washington Post" vor, "jeden Tag" zu lügen.

Der Bundesstaat Washington kündigte eine Klage gegen das Einreisedekret an. Wenn ein Sieg vor dem Bundesgericht in Seattle gelinge, werde das Trumps Erlass in den gesamten USA ungültig werden lassen, teilte Justizminister Bob Ferguson in Seattle mit.

Die verheerende Außenwirkung addiert sich zur wenig vorteilhaften Bilanz der ersten Amtswoche, in der Trump mit dem Mauerbau zu Mexiko und der Idee von Strafzöllen, die am Ende doch vom US-Verbraucher zu tragen sein würden, schon für gehörigen Wirbel und Widerstand gesorgt hatte. Doch Trump scheint entschlossen, seine umstrittenen Wahlkampf-Vorschläge um jeden Preis umzusetzen.

Wichtigster Helfer ist Berichten zufolge sein Chefberater, der ultrarechte Agitateur Stephen Bannon. Der politische Novize und Globalismus-Gegner soll auch den Erlass zu den Einreise-Beschränkungen formuliert haben und erfuhr über das Wochenende einen weiteren Machtzuwachs. Trump ordnete an, Bannon werde - entgegen der Gepflogenheit früherer Präsidenten - nun festes Mitglied des Nationalen Sicherheitsrats sein, der dem Präsidenten in allen wichtigen Fragen zur "Heimatsicherung" zur Seite stehen soll. Ihren angestammten Platz räumen mussten ausgerechnet die "Joint Chiefs"-Generäle, Amerikas erfahrendste und hochrangigste Militärs.

Die Proteste im eigenen Land werden kaum abebben, und bei seinen verkündeten Besuchen in London - wo eine Petition seine Einreise verhindern will - und Hamburg werden ihn ebenfalls Demonstranten erwarten. Denn auch viele Deutsche sind von Trumps Dekret betroffen. Die Kritik im eigenen Land schaltet Trump aus: "Es war ein guter Tag", sagte er gestern. Die Mitteilung der Berliner US-Botschaft ist harsch: Bürger der sieben islamischen Länder, für die ein zunächst dreimonatiges Einreiseverbot besteht, bräuchten erst gar nicht mehr vorbei zu kommen, selbst nicht mit Termin, steht auf der Website. Auch deutsche Doppelstaatler nicht. "Sie werden keinen Eintritt in die Botschaft erhalten". Rund 130 000 Deutsche sind potentiell betroffen, darunter Prominente wie die Schauspielerin Jasmin Tabatabai oder der Schriftsteller Navid Kermani , der sogar als möglicher Bundespräsident im Gespräch war. In Berlin ist man empört. Nach Angaben des Innenministeriums stellen die Deutsch-Iraner mit 80 000 die größte Gruppe der Betroffenen, gefolgt von Deutsch-Irakern (30 000) und Deutsch-Syrern (25 000). Die Zahlen stammen aus 2011, aktuellere gibt es nicht. Einige meldeten sich gestern zu Wort. So der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, der auch die syrische Staatsangehörigkeit hat. Die könne er nicht abgeben, weil Syrien Bürger nicht daraus entlasse, erklärte Mazyek. "Ich bin in Aachen geboren, deutsche Mutter, syrischer Vater, aber die Anmeldung in Syrien durch den Vater reicht für alle Zeiten aus." Mazyek zeigte sich überzeugt, dass das Vorgehen Trumps auch Zustimmung in Deutschland finde und forderte: "Kehren wir vor unseren eigenen Haustür." Wie zum Beweis meldete sich AfD-Bundesvize Alexander Gauland zu Wort: "Trump macht es richtig, er macht es uns vor." Der Grünen-Politiker Omid Nouripour , Deutsch-Iraner, hingegen sagte, der Erlass sei Wasser auf die Mühlen des "Islamischen Staates", der behaupte, der Westen wolle die Muslime nicht. Und die deutsch-iranische Schauspielerin Jasmin Tabatabai, die zahlreiche Familienangehörige in den USA und aus ihrer ersten Ehe sogar eine 14-jährige Tochter mit amerikanischer Staatsbürgerschaft hat, nannte Trumps Dekret "unmenschlich". Tabatabai: "Es reißt Familien auseinander."

Kanzlerin Angela Merkel (CDU ) hatte die Einreiseverbote kritisiert. SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz warf Trump vor, er laufe "mit der Abrissbirne durch unsere Grundwerteordnung". FDP-Chef Christian Lindner sagte, der US-Präsident trete "die Grundwerte seines Landes mit Füßen". SPD-Vize Ralf Stegner verglich die Abschottung gar mit Nordkorea. Der Koordinator der Bundesregierung für die deutsch-amerikanischen Beziehungen, Jürgen Hardt (CDU ), kritisierte die Einreiseverbote zwar ebenfalls, warnte aber davor, zu massiv auf Trump zu reagieren. Dies sei "genau das, was seine Anhänger und er möchten, dass er von außen Druck erfährt, dem er entsprechend entschlossen standhält".

Meinung:

Offenkundige Lügen

Von SZ-Mitarbeiter Friedemann Diederichs

Wie lange kann Donald Trump ein Verhalten politisch aussitzen, das ihn in kürzester Zeit auf Konfrontationskurs mit Millionen Menschen im eigenen Land und außerhalb der USA gebracht hat? In mindestens zwei Fällen ist der Präsident schon überführt worden. Die erste: seine Behauptung, die Einreise-Verfügungen seien "kein Bann von Muslimen" - obwohl Trump ausgerechnet dies ausdrücklich angekündigt hatte. Und Rudolph Giuliani enthüllte nun: Trump hatte ihn gebeten, die legalen Möglichkeiten eines Banns für alle Muslime zu prüfen. Die zweite Lüge: Er habe einen Plan für den Kampf gegen den IS in der Schublade, sagte Trump. Warum aber forderte er dann am Freitag seine Ministerien auf, einen eben solchen Plan erst zu entwickeln?

Zum Thema:

Hintergrund Einreisebeschränkung für Donald Trump ? Eine Online-Petition gegen seinen geplanten Staatsbesuch in Großbritannien hat bis gestern mehr als eine Million Unterstützer gefunden. Die Initiatoren der Eingabe wollen dem US-Präsidenten zwar nicht grundsätzlich einen Besuch in Großbritannien verwehren. Sie wenden sich aber dagegen, ihm einen förmlichen Staatsbesuch zu gewähren. Teil eines solchen Staatsbesuchs wäre auch ein Empfang des Gastes mit allen Ehren durch Königin Elizabeth II. Dies würde die Königin "in eine peinliche Lage bringen", heißt es in der Petition. "Mit seiner wohl dokumentierten Frauenfeindlichkeit hat sich Donald Trump für einen Empfang durch Ihre Majestät die Königin disqualifiziert." afp

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort