„Der Skandal, der keiner war“

Berlin · Gab es in der DDR Menschenversuche im Auftrag westlicher Pharmafirmen? Eine Untersuchung der Berliner Charité beantwortet die Frage mit einem klaren Nein.

Als der "Spiegel" vor drei Jahren über Arzneimittelversuche in der DDR berichtete, war die Aufregung groß. Von einem "Versuchslabor Ost" war die Rede, von "Menschenversuchen". Schlimme Erinnerungen an die Nazi-Zeit wurden wach. Ein Forscherteam unter Leitung des Berliner Medizinhistorikers Volker Hess kommt nun allerdings zu anderen Ergebnissen. Nach der Untersuchung, die unter anderem von der Bundesregierung und Ärzteverbänden gefördert wurde, gibt es für die Vorwürfe keine hinreichenden Belege. Das zusammenfassende Kapitel trägt dann auch die Überschrift "Der Skandal, der keiner war".

Die Versuche hätten den damaligen Standards entsprochen, meinte Hess. Nach den Erkenntnissen der Forscher, die sich auf Patientenunterlagen, Stasi-Akten und Befragungen stützen, waren die westlichen Auftragsstudien "oft Teil von großangelegten Forschungsvorhaben, die nach gleicher Methode zeitgleich auch in anderen Ländern durchgeführt wurden". Insgesamt wurden Aufträge von 75 Firmen, darunter Bayer, Norvatis, Sanofi, Boehringer Mannheim, aus 16 westlichen Ländern nachgewiesen, die meisten davon aus der Bundesrepublik. Für rund 320 Studien gibt es Belege. Sie dienten in erster Linie dem Nachweis der Wirksamkeit und Unbedenklichkeit neuer Arzneien. Bis zu 900 klinische Tests waren es zwischen 1961 und 1990 gewesen. Doch was machte die DDR so lukrativ? Weil es billiger war? Auch das lässt die Studie nicht gelten. Die Unternehmen hätten zwar etwas weniger dafür gezahlt als im Westen üblich. Stasi-Unterlagen belegten jedoch, dass die DDR im Vergleich zu klinischen Studien etwa in der damaligen CSSR oder Ungarn "übermäßig teuer" gewesen sei. Nach Erkenntnissen der Forscher wussten die Pharmahersteller aber die "zentral-staatliche Organisation" in der DDR zu schätzen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort