Der Rauswurf des Jahres riecht nach Watergate

Washington · US-Präsident Trump setzt FBI-Chef Comey den Stuhl vor die Tür – mitten in den heiklen Russland-Ermittlungen der Behörde. Die Entscheidung lässt viele in Washington fassungslos zurück.

Was das für ein Donnerschlag war, der da dröhnte, illustrieren allein schon die Umstände. James Comey hatte Washington offenbar nichtsahnend verlassen, um in Los Angeles mit FBI-Agenten zu tagen. Von seiner Entlassung, so schildern es Anwesende, erfuhr er aus den Fernsehnachrichten. Völlig auf dem falschen Fuß erwischt, ließ er sich in ein Nebenzimmer führen. Eine Rede, die er am Abend in Hollywood halten sollte, um Rekruten für die Bundespolizei zu werben, sagte er kurzerhand ab, bevor er an Bord eines Privatjets zurück in die Hauptstadt flog.

Es ist nicht nur die würdelose, ja schäbige Art, mit der Donald Trump seinen FBI-Direktor feuerte, die nun ihre Schockwirkung entfaltet. Ebenso ist es die Begründung. Er wisse zu schätzen, dass ihm Comey dreimal mitgeteilt habe, dass gegen ihn, Trump, nicht ermittelt werde, schrieb der Präsident in einem Brief, der durch seine lakonische Kürze auffällt. Dennoch schließe er sich dem Urteil seines Justizressorts an, "dass Sie nicht in der Lage sind, das Büro effektiv zu führen". Die Details lieferte Rod J. Rosenstein, seit kurzem Vize-Justizminister, auf drei eng beschriebenen Seiten.

Comey habe dem Ansehen des FBI erheblich geschadet, schreibt er und verweist auf die Ermittlungen gegen Hillary Clinton, die als Außenministerin auch dienstliche E-Mails über einen in ihrem Privathaus installierten Server laufen ließ. Er habe falsch gehandelt, als er am 5. Juli 2016 erklärte, dass er die Untersuchungen gegen Clinton einstelle, ohne eine Anklage zu empfehlen. Kritische Worte fand Rosenstein aber auch zu Comeys Entscheidung, dem US-Kongress elf Tage vor der Präsidentschaftswahl am 8. November zu eröffnen, dass er den Fall noch einmal aufrolle. Auf einem Laptop Anthony Weiners, des geschiedenen Mannes der Clinton-Vertrauten Huma Abedin, hatten Detektive weitere Mails aus dem Fundus der ehemaligen Chefdiplomatin entdeckt. Dass es Comey für nötig hielt, damit an die Öffentlichkeit zu gehen, nimmt ihm Clinton bis heute übel. Hätte der FBI-Chef nicht interveniert, davon ist sie fest überzeugt, säße sie im Oval Office.

Trump wiederum hatte im Sommer zwar noch in populistischer Entrüstung von Manipulationen gesprochen, im Herbst aber klang er ganz anders, da lobte er Comey für seinen Mut. Schon deshalb nimmt praktisch niemand für bare Münze, was sein Kabinett nun an Argumenten anführt. Dass ausgerechnet Trump Krokodilstränen über das Schicksal seiner Kontrahentin vergieße, sei einfach zu absurd, um es zu glauben, lautet der Tenor bei den Demokraten.

Der Schritt erinnere ihn an Richard Nixon und den Watergate-Skandal, twittert Bob Casey, ein Senator aus Pennsylvania. Und so vorsichtig sich die meisten Republikaner zunächst äußerten, auch aus ihrem Lager wird Widerspruch laut. Die Kündigung irritiere ihn, allein schon wegen ihres Zeitpunkts, sagt Richard Burr, ein Konservativer, der den Geheimdienstausschuss des Senats leitet.

Seit Wochen ließ Comey ermitteln, ob etwas dran ist an den Vorwürfen, nach denen das Wahlkampfteam Trumps mit dem Kreml kooperiert haben soll, um Clinton zu schaden, etwa durch Hackerangriffe. Kein Wunder, dass nach seinem Abgang die Spekulationen ins Kraut schießen. Verfolgte er eine heiße Spur? Witterte Trump Gefahr für sich selbst oder zumindest für sein enges Umfeld? Wurde ein Unbequemer geschasst, weil er sich dem Weißen Haus nicht beugte?

Der baumlange Jurist gilt als unabhängiger Kopf, bisweilen unglücklich agierend, aber nicht leicht zu verbiegen. Als Barack Obama ihn vor vier Jahren ernannte, erinnerte er an ein Kapitel, bei dem Comey unter immensem Druck Rückgrat bewies. An eine Episode aus der Zeit, als George W. Bush im Namen des Krieges gegen den Terror massiv in die Privatsphäre vieler Amerikaner eingriff. Bushs Justizminister John Ashcroft lag nach einer Gallenoperation geschwächt in einem Krankenhausbett, wo ihm zwei Abgesandte der Machtzentrale wie bei einem schlechten Erbschaftsdrama eine Unterschrift abringen wollten. Der Patient sollte die Telefon- und Internet-Überwachung einmal mehr routinemäßig absegnen, doch Comey fuhr Bushs Emissären in die Parade. Obama soll die Courage des Zweimetermannes so imponiert haben, dass er beschloss, ihm die Bundespolizei anzuvertrauen. Dass Trump Comey schon jetzt ablöst, noch vor Halbzeit einer zehnjährigen Amtszeit, unterstreicht nur, welches Drama gerade über die Bühne geht.

Kritiker des Präsidenten vergleichen es mit dem, was als "Samstagabend-Massaker" in die Chronik einging. Im Herbst 1973 forderte der damalige Präsident Nixon seinen Justizminister auf, den Harvard-Professor Archibald Cox zu feuern, den Sonderermittler, der die Watergate-Affäre aufklären sollte. Sowohl der Minister als auch dessen Stellvertreter weigerten sich, sodass sie an einem Wochenende im Oktober zurücktraten. Nun, so sehen es zumindest die Demokraten, setzt Trump dem Mann den Stuhl vor die Tür, der einem zweiten Watergate-Skandal auf den Grund gehen sollte.

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