Der Neustart ist misslungen

Berlin. Die Freidemokraten sind in diesen Tagen nicht zu beneiden. In den Umfragen sind sie wieder unter die Fünf-Prozent-Hürde gefallen, dazu kommt der Mitgliederschwund, und nun orientiert sich offensichtlich auch noch der Koalitionspartner Union in Richtung Grüne um

Berlin. Die Freidemokraten sind in diesen Tagen nicht zu beneiden. In den Umfragen sind sie wieder unter die Fünf-Prozent-Hürde gefallen, dazu kommt der Mitgliederschwund, und nun orientiert sich offensichtlich auch noch der Koalitionspartner Union in Richtung Grüne um. Es geht partout nicht bergauf, der Mitte Mai beim Parteitag in Rostock verkündete Neustart mit der verjüngten Führung ist vermasselt. Im Thomas-Dehler-Haus der FDP wurde die Lage gestern besprochen, anschließend entschied man sich für das simpelste aller Mittel - das Schweigen.Die Liberalen setzen nun darauf, dass es die Zeit richten wird. Es naht die parlamentarische Sommerpause, bis dahin ist das ersehnte, schärfere Profil nicht mehr herzustellen. Aber danach geht es los, hofft man in Parteikreisen. Zumal die Koalition thematisch bis Anfang Juli kaum mehr etwas in der Pipeline hat, mit dem die FDP noch punkten könnte. Selbst der Gegenkurs der liberalen Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger in der Innen- und Rechtspolitik wie bei der Verlängerung der Anti-Terror-Gesetze gilt nicht als gewinnbringend. In Berlin hat sich zudem der Eindruck verfestigt, dass Kanzlerin Angela Merkel nicht bereit ist, ihrem Koalitionspartner notwendige Erfolge zu gönnen. Merkels Union dümpelt in den Umfragen bei 30 Prozent, die Kanzlerin selbst hat nach dem Atomschwenk ihre liebe Not, den eigenen Laden zusammenzuhalten.

Dass Neustart der FDP misslungen ist, zeigt sich besonders beim Thema Kernenergie. In der öffentlichen Wahrnehmung geriet das Vorgehen der Parteispitze zum Fiasko: Nicht nur, dass Generalsekretär Christian Lindner den gemeinsam mit der Union beschlossenen Atomausstieg gleich wieder in Frage stellte, vielmehr wurde über Parteichef Philipp Rösler (Foto: dpa) auch noch kolportiert, er sei in den Koalitionsverhandlungen von Merkel wie ein Anfänger zurechtgewiesen worden. Das Klima zwischen Schwarzen und Gelben haben diese Indiskretionen vergiftet.

Ein weiteres Problem der Liberalen ist ihr fehlendes Drohpotenzial. Während Union und Grüne derzeit heftig miteinander flirten und Merkels CDU auch mit der SPD könnte, hat die FDP keine andere Machtperspektive als die Union. Die Annäherungsversuche zwischen dem Koalitionspartner und den Grünen hat man daher bei den Liberalen argwöhnisch registriert. Da klingt es fast wie eine Retourkutsche, dass Hamburgs liberale Fraktionschefin Katja Suding jetzt wieder ein Bündnis aus SPD und FDP auf Bundesebene ins Gespräch bringt. Freilich gibt es mit den Sozialdemokraten inzwischen wieder einige programmatische Gemeinsamkeiten: Beide wollen dem Bund in der Bildung deutlich mehr Mitsprache einräumen, und der mitfühlende Liberalismus der FDP sowie die Betonung der Bürgerrechte passen zur Linie der SPD. Wenn da nicht die Umfragewerte wären.

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