Der Mann, der die Welt erklärte

Mainz · Tüfteln, Entdecken und Forschen. 25 Jahre lang moderierte Peter Lustig im ZDF „Löwenzahn“ – und war dabei immer er selbst: der Mann mit Halbglatze, Latzhose und Nickelbrille. Am Dienstag ist er im Alter von 78 Jahren gestorben.

 Der blaue Bauwagen im fiktiven Örtchen Bärstadt. Hier lebte und tüftelte der Welt-Erklärer Peter Lustig. Fotos: ZDF/actionpress

Der blaue Bauwagen im fiktiven Örtchen Bärstadt. Hier lebte und tüftelte der Welt-Erklärer Peter Lustig. Fotos: ZDF/actionpress

"Und jetzt - na, ihr wisst schon - abschalten." Die liebevolle Mahnung an die jungen Zuschauer am Ende seiner "Löwenzahn"-Sendung, es mit dem Fernsehen nicht zu übertreiben, war eines der Markenzeichen von Peter Lustig . Undenkbar heute, wo mehrere Sender um die Aufmerksamkeit der Kinder buhlen und sogar der öffentlich-rechtliche ,,Kinderkanal" Sechsjährige durch laute Trailer zu verführen sucht, möglichst früh am Morgen das Fernsehen einzuschalten.

Der Welterklärer, der ab 1981 für die Zuschauer in einem Bauwagen im fiktiven Örtchen Bärstadt lebte und über einen schier unerschöpflichen Fundus an Ideen verfügte, stand damit für eine andere Fernsehzeit - und passte mit seiner blauen Latzhose auch wunderbar in die Hochzeit der Öko-Bewegung. Millionen Deutsche sind mit ihm aufgewachsen. Am Dienstag ist der Mann mit Nickelbrille im Alter von 78 Jahren in der Nähe von Husum im Kreis seiner Familie gestorben.

25 Jahre war er "Löwenzahn" - nicht nur Protagonist, sondern auch Autor der Sendung. Als "Gott-und-die-Welt-Erklärer" zog er nicht nur Kinder in den Bann seiner Tüfteleien. Mehr als 200 Episoden wurden bis zu seinem Ausstieg im Jahr 2005 mit ihm ausgestrahlt. Folgen, in denen Lustig eine Miniaturfabrik zur Holz- und Metallverarbeitung baute, Experimente mit stinkenden Milchsäurebakterien unternahm, als Steinzeitmensch in der Wildnis lebte oder Fahrversuche mit einem Heißluftballon wagte. Was für Eltern unter dem Prädikat "pädagogisch wertvoll" lief, war für die jüngeren Fernsehzuschauer pures Vergnügen.

Irgendwie scheint es, als sei mit ihm eine ganz eigene Art des Fernseh-Machens gegangen. Was nach Ansicht des Medienpsychologen Frank Schwab von der Universität Würzburg daran liegt, dass Lustigs Löwenzahn in der Hochzeit des öffentlich-rechtlichen Fernsehens wurzelt. "Das Privatfernsehen gab es damals noch nicht oder war gerade erst am Anfang. Daher hatte Lustig im deutschen Kinderfernsehen so eine Art Platzhirsch-Position."

Doch nicht nur deshalb war Löwenzahn mit Peter Lustig etwas Besonderes. "Er hat die Kinder ernst genommen", sagt Schwab. "Es gibt ja viele Akteure im Fernsehen, die sich benehmen wie kleine Kinder. Die sich naiv stellen, mit einer gekünstelten Stimme sprechen und dabei aber mit ihrer Inszenierung wenig authentisch sind." Anders Peter Lustig . "Er war als Person und Figur immer sehr glaubwürdig, hat versucht, die Kinder auf Augenhöhe anzusprechen."

Warum er mit seiner Art Fernsehen selbst bei Erwachsenen beliebt war, erklärt der Medienpsychologe damit, dass auch Ältere bei ihm noch etwas lernen konnten. "Und Peter Lustig hat in seiner Sendung ja oft auch Dinge erklärt, von denen Eltern gesagt haben: Puh, ich weiß es zwar, aber ich kann das meinem Kind nicht so richtig erklären." Aus der Forschung wisse man, dass es für die Kinder hilfreich sei, wenn sie sich eine Sendung wie Löwenzahn gemeinsam mit den Eltern anschauten. "Kinder nehmen ihre Eltern ja immer als Referenz. Die gucken etwa, ob der Papa das auch interessant findet. Das ist dann etwas, wo beide gemeinsam etwas lernen, beide gemeinsam Zeit verbringen können - so ähnlich wie früher am Lagerfeuer. Man hört gemeinsam dem Geschichtenerzähler zu."

Daher kann der Tod von Peter Lustig besonders bei der Generation, die mit ihm und seiner Sendung aufgewachsen ist, als echter Verlust empfunden werden. "Wenn andauernd jemand bei uns im Wohnzimmer ist und uns die Welt erklärt, dann ist der für uns so etwas wie der gute Onkel, ja fast schon eine Lehrer- oder Vaterfigur." Und der blieb sich auf seine Weise treu. Als der damalige Bundespräsident Horst Köhler ihm 2007 das Bundesverdienstkreuz überreichte, trug Lustig Latzhose. Zur Feier des Tages mit Nadelstreifen.

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