Der Machtkampf am Nil geht weiter

Kairo · Machtkampf am Nil: Die Ultra-Frommen lehnen den Ex-Diplomaten ElBaradei als Chef einer Übergangsregierung ab. Bei Straßenschlachten zwischen Anhängern und Gegnern Mursis starben Dutzende Menschen.

Ägypten sucht nach dem Sturz des islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi einen politischen Neuanfang - die Bildung einer Übergangsregierung zieht sich jedoch in die Länge. Religiöse Kräfte in der Anti-Mursi-Allianz blockierten die Bestellung von Friedensnobelpreisträger Mohammed ElBaradei zum Ministerpräsidenten. Bei Ausschreitungen nach Massenprotesten gegen Mursis Absetzung kamen nach Angaben des Ambulanzdienstes mindestens 37 Menschen ums Leben, davon 16 durch Schüsse. Mehr als 1400 weitere erlitten Verletzungen.

Kairoer Medien hatten die Ernennung ElBaradeis zum Chef der Übergangsregierung am Samstagabend zunächst bereits als Faktum vermeldet. Ein Sprecher von Übergangspräsident Adli Mansur dementierte jedoch Stunden später die Berichte. Die Verhandlungen über die Bildung der Übergangsregierung gingen gestern weiter. Sie soll bis zu Neuwahlen in Ägypten im Amt bleiben.

Widerstände gegen den Ex-Diplomaten ElBaradei, den Führer der säkularen Nationalen Rettungsfront, kamen aus den Reihen der salafistischen Nur-Partei (Partei des Lichts). "Es geht nicht an, die Macht des Ministerpräsidenten in die Hände eines Mannes zu legen, der nicht unsere Vision von der islamischen Scharia (Religionsgesetz) teilt", erklärte der Al-Nur-Vizevorsitzende Bassem al-Saraka.

ElBaradei warnte nach dem Umsturz vor einer Hexenjagd in Ägypten. "Niemand darf ohne triftigen Grund vor Gericht gestellt werden", forderte er in einem "Spiegel"-Interview. Mursi müsse mit Würde behandelt werden. Die Islamisten finden sich jedoch nur schwer mit ihrer Entthronung ab. In der Nähe des zentralen Tahrir-Platzes in Kairo prallten erneut Anhänger und Gegner Mursis aufeinander, um sich heftige Straßenschlachten zu liefern. Zu Zusammenstößen kam es auch in Alexandria, Suez und in Al-Arisch auf dem Sinai. Bei neuen Ausschreitungen in der Nacht zum Sonntag wurde rund ein Dutzend Menschen verletzt - Tote waren Angaben zufolge keine zu beklagen. Im Norden des Sinai entglitt den Behörden die Kontrolle: Hunderte Islamisten stürmten in der Nacht zum Samstag den Sitz des Gouverneurs in Al-Arisch.

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Hintergrund Das Auswärtige Amt hat seine Reisehinweise für Ägypten deutlich verschärft. "Von Reisen nach Ägypten ist dringend abgeraten", so das Amt. Ausgenommen sind Nil-Kreuzfahrten sowie Reisen in die Touristengebiete am Roten Meer sowie nach Luxor und Assuan. Auch der Transit über den Flughafen Kairo sei sicher. dpa

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