Zum Tod des Bundestagsvize Thomas Oppermann (SPD) Von einem, der immer hoch hinaus wollte

Berlin · Der jähe Tod des Bundestagsvizes Thomas Oppermann bestürzt die Politik. Der 66-jährige Sozialdemokrat wollte sich 2021 aus dem Bundestag zurückziehen.

 Thomas Oppermann 2016 im SZ-Redaktionsgespräch. Schock und Trauer über seinen Tod sind groß.

Thomas Oppermann 2016 im SZ-Redaktionsgespräch. Schock und Trauer über seinen Tod sind groß.

Foto: Robby Lorenz

Er wirkte stets fit wie ein Turnschuh. Auf seinen politischen Sommerreisen lud Thomas Oppermann Journalisten regelmäßig in seine Harzer Heimat zur Wanderung auf den Brocken ein. Die 1141 Meter kann man auch ganz bequem mit einer Schmalspureisenbahn bezwingen. Aber das war nicht Oppermanns Ding. In perfekter Sportkleidung stürmte der Sozialdemokrat regelrecht nach oben, und schien sich darüber zu amüsieren, wenn deutlich jüngere Medienvertreter kaum hinterher kamen. Meist hat er dann spitzbübisch gelächelt.

Oppermann wollte immer hoch hinaus. Ein Genosse mit großem Ehrgeiz. Zunächst in der niedersächsischen Landespolitik. 1998 machte ihn Gerhard Schröder zum Wissenschaftsminister in Hannover. Da war Oppermann 43 Jahre alt. Als Schröder im gleichen Jahr die Bundestagswahl gewann, wäre der Landesminister gern Ministerpräsident geworden. Aber es sollte nicht sein. Neuer Versuch: die Bundespolitik. 2005 kandidierte Oppermann erstmals für den Bundestag und gewann auf Anhieb das Direktmandat in Göttingen. Das sollte sich noch drei Mal hintereinander wiederholen. Eine echte Erfolgsgeschichte. Aber „einfacher Abgeordneter“ wäre für Oppermann auf Dauer trotzdem nichts gewesen.

Schnell machte sich der gelernte Jurist als Rechts- und Innenpolitiker einen Namen. 2007 wurde er bereits Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion. Für dieses Amt braucht es strategisches Geschick und die Fähigkeit, den Laden zusammenzuhalten. Auf beides hat sich der konservative Sozialdemokrat gut verstanden. Aus dieser Zeit sind noch die regelmäßig veranstalteten Presserunden im Reichstag in Erinnerung, bei denen es Rührei mit Krabben gab und Oppermann leidenschaftlich über das Große und Ganze dozierte, statt sich mit dem drögen Klein-Klein der jeweils aktuellen Tagesordnung im Plenum aufzuhalten. Oppermann hörte sich auch selbst gern reden.

Nach der Wahl 2013 dürfte er sich überreif für einen Ministerposten gefühlt haben. Das Innenressort war schon im Gespräch. Aber daraus wurde aus Gründen des regionalen Proporzes wieder nichts, weil Niedersachsen mit Frank-Walter Steinmeier und Sigmar Gabriel schon im Bundeskabinett vertreten war. So wurde Oppermann SPD-Fraktionschef. Vier Jahre später verdrängte ihn dort Andrea Nahles und Oppermann löste seine Parteifreundin Ulla Schmidt gegen deren ausdrücklichen Willen im Amt des Bundestagsvizepräsidenten ab. Erneut hatten die Sozialdemokraten die Wahl verloren, und es gab nur noch wenige lukrative Posten zu verteilen.

Oppermann dürfte den neuen Job durchaus als Abstieg empfunden haben, mischte aber weiter tagespolitisch kräftig mit. Lautstark geißelte er beispielsweise die Blockadehaltung der Union beim Wahlrecht, drohte gar für einen entsprechenden Gesetzentwurf der Opposition zu stimmen. Und in der aktuellen Corona-Debatte stritt er für mehr parlamentarische Rechte.

Vor zwei Monaten hatte Oppermann angekündigt, bei der nächsten Bundestagswahl im Herbst 2021 nicht mehr zu kandidieren. Seine Begründung: Nach 30 Jahren als Landtags- und Bundestagsabgeordneter wolle er noch etwas anderes machen und sich neue Projekte vornehmen. Dazu wird es nicht mehr kommen. Am Sonntagabend ist Thomas Oppermann im Alter von 66 Jahren in Göttingen gestorben. Er brach kurz vor der Schaltung eines ZDF-Live-Interviews zusammen. Parteiübergreifend waren Schock und Trauer im Berliner Regierungsviertel groß.

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