Der Homburger Arzt und der perfekte Mord

Homburg · Warum aus dem Kardiologen Torsten Markwirth ein leidenschaftlicher Krimi-Autor wurde.

 Sein unscheinbares Lächeln täuscht (ein wenig): Autor Torsten Markwirth ist schon der perfekte Mord gelungen – zumindest in einem seiner Kriminalgeschichten. Foto: Rich Serra

Sein unscheinbares Lächeln täuscht (ein wenig): Autor Torsten Markwirth ist schon der perfekte Mord gelungen – zumindest in einem seiner Kriminalgeschichten. Foto: Rich Serra

Foto: Rich Serra

Am Anfang war das Strohfeuer - und der Unmut darüber. Romane, Geschichten, die verheißungsvoll beginnen, sich spannend entwickeln, dann aber stark abflauen, in einem unglaubwürdigen Finale kollabieren. "Ich hasse nichts mehr als einen schwachen Schluss", sagt Torsten Markwirth. "Das hat mich letztendlich zum Schreiben motiviert. Ich dachte mir, ein spannendes Ende könnte ich vielleicht besser hinkriegen als manch anderer."

Der 47-jährige Kardiologe aus Homburg ist passionierter Leser - und seit rund zehn Jahren auch ein ebenso leidenschaftlicher Autor. Vier umfangreiche Kriminalromane sind inzwischen entstanden, ein fünfter ist in Arbeit. Sogar der perfekte Mord, sagt er, sei ihm - literarisch - gelungen. Dank präziser Anatomiekenntnisse durchaus vorstellbar. "Beim Schreiben versuche ich immer, zum Ende hin noch mal richtig Gas zu geben", erklärt Markwirth.

Wer ihn so eloquent über seine Bücher reden hört, den reizt es zugegebenermaßen, einen Blick hineinzuwerfen in der Hoffnung, sich in Spannung zu verlieren. Auch wenn die Titel plakativ aus nur einem Begriff bestehen: "Alkohol" und "Fett" - das mutet vordergründig ein wenig nach trivialer literarischer Kost an. Doch der Untertitel von "Alkohol": "Stell dir vor, du bist krank, und kein Arzt ist nüchtern" macht nicht nur den Patienten hellhörig. Handelt es sich da um eine Abrechnung mit dem eigenen Berufsstand? "Nein, überhaupt nicht", sagt der vom Bodensee stammende Herzspezialist. Aber zutreffend sei, dass Fälle von Alkoholismus oder Suizid in diesem Metier etwa doppelt so häufig vorkämen wie in anderen Jobs. Ein alarmierender Befund, den Markwirth seiner Zunft da ausstellt. Beunruhigend vor allem für (potenzielle) Patienten. "Ich will zeigen, dass Ärzte auch nur Menschen sind, keine Halbgötter oder Technokraten", erklärt Markwirth, selbst leitender Oberarzt am Städtischen Krankenhaus in Pirmasens.

Kein Ärger, kein Protest aus Medizinerkreisen? "Nein, es gibt keinerlei Anfeindungen", versichert der Kardiologe lächelnd, "die meisten wissen, dass das, was ich beschreibe, durchaus realistisch ist." Dass diese Phänoneme bei Ärzten besonders ausgeprägt seien, habe vermutlich damit zu tun, dass gerade Mediziner bei psychischen Problemen selten therapeutische Hilfe in Anspruch nähmen. Markwirth legt jedoch Wert darauf, dass seine Geschichten nicht stigmatisieren. "Das Buch zeigt auf etwa 200 Seiten erst einmal den Weg auf, wie sich ein Mensch ganz allmählich zum Trinker entwickelt. Es soll nicht belehren, sondern eine Sensibilität für Alkoholkranke wecken."

Gleichzeitig sind es aber gerade die gesellschaftlichen Stigmata, die Markwirth zum Gegenstand seiner Kriminalromane macht. Seine Protagonisten stammen bislang alle aus dem Arztmilieu. "Das wird allerdings bei meinem neuen Buch anders sein", verspricht er.

Autobiografische Züge besitzt sein Erstwerk "Unsortiert", das von einer Zwangsstörung handelt. Markwirths eigene Sortier- und Kontroll-Marotte, unter der er mit Anfang Zwanzig litt, hat er längst überwunden. Aber er kann sich bis heute in die Symptome einfühlen, kennt aus eigener Erfahrung, wie es ist, "wenn man vier mal prüfen muss, ob das Auto abgeschlossen, der Herd ausgeschaltet oder das Telefon aufgelegt ist". Wie es ist, Dinge zu tun, die jeder Sinnhaftigkeit entbehren, völlig belanglos sind - so etwa der beharrliche Versuch, beim Gehen nicht auf Fugen zu treten. Zugleich kennt er das verzweifelte, meist erfolglose Bemühen, Kontrollzwänge irgendwie zu unterdrücken oder sie vor anderen zu verbergen, um sich nicht der Lächerlichkeit preiszugeben. "Wenn die Kontrolle außer Kontrolle gerät", erklärt er, "kann eine Marotte zu einer manifesten Erkrankung werden." Markwirth selbst hatte das Glück, dass seine Marotte irgendwann von selbst wieder verschwand. Sie ließ ihn auch erkennen, dass "Vernunft manchmal eine stumpfe Waffe ist". Und er hat die Erfahrung gemacht, dass es verletzender sein kann, ausgelacht als beleidigt zu werden.

Das Thema Respektverlust zieht sich denn auch wie ein roter Faden durch seine Literatur - durch "Fett" und "Alkohol" ebenso wie durch "Unsortiert" und "Obdachlos". Und es sind bei ihm vor allem die honorigen Personen, die durchs soziale Raster fallen. Nicht zuletzt, weil die Gesellschaft gewisse Krankheitsbilder als Persönlichkeitsschwäche (miss-)versteht.

Vieles von dem, was Markwirth in seinem ärztlichen Alltag begegnet, greift er in seinen Geschichten auf. Das Schicksal von Menschen etwa, die auf der Straße leben, keine Wohnung haben. "Ich arbeite in einem kommunalen Krankenhaus, wo ich auch zahlreiche Obdachlose behandle", erklärt der 47-Jährige. "Oft sind es sehr stille Menschen." Etwa 15 bis 20 Prozent der Obdachlosen, so schätzt Markwirth, sind Akademiker oder haben zumindest ein hohes Bildungsniveau. Den Protagonisten seines Romans "Obdachlos", den einst erfolgreichen Mediziner Arno Kilian, treibt die Verkettung unglücklicher Umstände in ein Leben "auf der Platte". Woher kommt das große Interesse an den Wohnungslosen? "Im Gespräch mit Obdachlosen erfährt man vieles, was man ihnen von vornherein gar nicht zutraut", erzählt Markwirth. So zum Beispiel, dass sie meist gar nicht einsam oder isoliert, sondern untereinander hervorragend vernetzt seien und einen engen Zusammenhalt hätten - trotz aller menschlichen Enttäuschungen und schlechten Erfahrungen.

Zu Markwirths besonderen Vorlieben gehört es, Themen wie Gefühle, Sex oder soziale Brüche schichten- und altersübergreifend darzustellen. Emotionen sind dem Homburger Autor dabei wichtig, auch während des Schreibens, sagt er. "Da muss ich immer etwas Feuer haben, energetisch gut drauf sein."

Zwischen Beruf und Familie bleibt ihm so viel Zeit für sein aufwendiges Hobby nicht. Samstags nach dem Frühstück, "da klinke ich mich meist aus dem Betrieb aus und schreibe". Bis zur Vollendung eines Romans gehen daher gut zwei Jahre ins Land. Besonders wichtig ist Markwirth die "Nachhaltigkeit" seiner Geschichten - und ein eindeutiges Leser-Urteil: entweder Daumen hoch oder Daumen runter. Mit Indifferenz könne er schlecht umgehen, meint er. Besonderen Wert legt er aber auf das Urteil seiner Frau Monika: "Sie ist eine gnadenlos ehrliche Kritikerin."

Neben Beruf und Schriftstellerei muss dem Familienvater, dessen 18-jährige Zwillinge schon im Studium sind, jedoch auch noch etwas Zeit zum Fußballspielen bleiben: Beim TuS Lappentascherhof in Homburg findet er zugleich "einen Schmelztiegel an sozialen Kontakten", der für seine persönliche Bodenhaftung wichtig ist. Literarisch gehen ihm die Werke von Stefan Zweig und Erich Maria Remarque besonders nahe: "Einfach großartig. Wenn ich das lese", seufzt er lächelnd, "dann möchte ich am liebsten aufhören zu schreiben."

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