Der „Flüchtlings-Haushalt“ steht

Berlin · Der Bundesetat für 2016 ist festgezurrt. Nach einem 16-stündigen Sitzungsmarathon beschloss der Haushaltsausschuss des Bundestages das umfangreiche Zahlenwerk. Ob der Etat ohne neue Schulden auskommt, steht wegen des unkalkulierbaren Flüchtlingsansturms in den Sternen.

Der grüne Haushaltsexperte Tobias Lindner hatte auf die Uhr geschaut: Exakt um 4.52 Uhr am Freitagmorgen war der Etat für das kommende Jahr unter Dach und Fach. Dass es so lange dauerte, hatte vor allem mit der Opposition zu tun, die die Vertreter der Regierungsparteien gleich mit mehreren Hundert Änderungsanträgen traktierte. Doch am Ende musste man sich der schwarz-roten Mehrheit beugen. "Das ist ein Haushalt der verpassten Chancen", schimpfte Lindner dann auch pflichtgemäß. Dem schloss sich der Haushälter der Linken, Roland Claus , an. Tenor der beiden: Die eingeplanten Mittel für die Flüchtlinge reichten nie und nimmer, um der Situation Herr zu werden.

Die Etat-Fachleute von Union und SPD , Eckhardt Rehberg und Johannes Kahrs , werteten das naturgemäß anders. Zu haushälterischer Euphorie wie in den Vorjahren sahen sie allerdings auch keinen Anlass. Man hoffe auf den Bestand der Zahlen, meinte Kahrs, "aber am Ende weiß das keiner". Alle Kalkulationen basieren darauf, dass im nächsten Jahr nicht mehr als 800 000 weitere Flüchtlinge nach Deutschland kommen. Mehr als eine Millionen werden es vermutlich in 2015 sein. Dass die "schwarze Null" trotzdem vorerst kein Hirngespinst ist, hat mit den Überschüssen dank guter Konjunktur zu tun. Und dem anhaltend niedrigen Zinsniveau. Dadurch können immerhin 6,1 Milliarden Euro zur Bewältigung der Flüchtlingskrise ins neue Jahr übertragen werden. Gegenüber dem laufenden Jahr legen die geplanten Ausgaben 2016 um gut 15 Milliarden zu - insgesamt sind es 317 Milliarden Euro . Rund acht Milliarden Euro im Etat sind für die Flüchtlinge veranschlagt. Mehr als die Hälfte davon geht an die Kommunen. Schließlich hatte sich der Bund nach langem Tauziehen mit den Ländern dazu verpflichtet, für jeden Asylbewerber einen Kostenanteil von monatlich 670 Euro zu zahlen, bis sein Asylverfahren abgeschlossen ist. Doch auch danach gibt es für Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU ) keine Entwarnung. Denn die meisten Neuankömmlinge dürften anschließend als arbeitslos gelten - verbunden mit dem Anspruch auf Hartz IV. Rund 1,3 Milliarden Euro zusätzlich sind dafür im Etat des Arbeitsministeriums veranschlagt. Oben drauf kommen Kosten für die Unterkunft (400 Millionen Euro ) oder Maßnahmen zur Arbeitsmarkintegration (243 Millionen Euro ). Auch der Etat des Bundesinnenministeriums wächst im nächsten Jahr um mehr als eine Milliarde Euro . Ein großer Teil davon steht für die dringend notwendige Personalaufstockung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zur Verfügung.