Der Comandante macht's noch einmal

Caracas. Es ist gerade einmal vier Jahre her, da sagte Hugo Chávez: "Ich bleibe, solange Gott es will und das Volk es mir befiehlt." Damals war der venezolanische Präsident 54 Jahre alt, zehn Jahre im Amt und auf dem Höhepunkt seiner Macht. Längst hatte er da schon die nächsten zehn Jahre im Kopf. Und Recht behalten

Caracas. Es ist gerade einmal vier Jahre her, da sagte Hugo Chávez: "Ich bleibe, solange Gott es will und das Volk es mir befiehlt." Damals war der venezolanische Präsident 54 Jahre alt, zehn Jahre im Amt und auf dem Höhepunkt seiner Macht. Längst hatte er da schon die nächsten zehn Jahre im Kopf. Und Recht behalten. Denn nun hat ihm sein Volk mit mehr als 54 Prozent der Stimmen überraschend deutlich befohlen, sechs Jahre weiter zu machen. Trotz Krankheit, trotz Missmanagement seiner Regierung und trotz einer reformierten und demokratischen Opposition. "Gott möge mir Leben und Gesundheit geben", sagte Chávez, als er sich nach dem Triumph über Herausforderer Henrique Capriles Radonski feiern ließ. Dieser landete bei 45 Prozent der Simmen.Wenn Chávez das Mandat bis 2019 gesundheitlich durchsteht, wird er 20 Jahre an der Macht und Lateinamerikas längst dienender Staatschef sein. Kein anderer Politiker der Region hat sein Land so tiefgreifend verändert wie er. Konsequent verfolgt er den Umbau Venezuelas zu einem sozialistischen Staat.

Chávez' Aufstieg vom Oberstleutnant zum Präsidenten des südamerikanischen Erdöllandes Ende der neunziger Jahre kam schnell und überraschend. Der Sohn eines Dorfschullehrer-Ehepaares aus der Kleinstadt Sabaneta im Bundesstaat Barinas war 1992 Anführer eines missglückten Putsches gegen Präsident Carlos Andrés Pérez. Nach zwei Jahren im Knast wurde er begnadigt und machte sich anschließend daran, die Macht in Venezuela auf dem politischen Wege zu ergreifen. Bei den Wahlen im Dezember 1998 siegte er mit 56 Prozent. Danach begann das, was als die größte Transformation eines demokratischen Landes der Moderne in die Geschichte eingehen könnte. Kaum an der Macht, begann Chávez Venezuela umzukrempeln. Er schrieb die Verfassung neu, löste das alte Parlament auf, schaffte ein neues, ließ sich wiederwählen und konzentrierte die Macht auf sich. Zentrale Machtposten besetzte er mit Getreuen. Dabei beugte er die Demokratie, bis es knirschte, und nahm Jahr für Jahr autoritärere Züge an.

Zuletzt sind ihm dabei einige Dinge aus den Händen geglitten. Caracas, die venezolanische Hauptstadt, ist mit der weltweit höchsten Mordrate zur gefährlichsten Metropole Lateinamerikas geworden. Jahrelang piesackte Chávez die multinationalen Unternehmen, bis sie Venezuela verließen oder er enteignete sie gleich. Konsequent trimmte er das kapitalistische Venezuela auf Sozialismus. Mittlerweile produziert Venezuela praktisch nur noch Öl. Manche Lebensmittel gibt es gar nicht mehr oder nur noch rationiert wie im großen Vorbild-Staat Kuba.

Unzählige bürgerliche Unterstützer, die Chávez 1998 noch hatte, als er mit Filz und Raffgier der Vorgängerregierungen aufräumte, haben ihm den Rücken gekehrt. Seine Anhänger hat er heute vor allem unter den Armen, die er mit staatlichen Sozialprogrammen beglückt. Laut offiziellen Statistiken konnte die Zahl der in Armut lebenden Venezolaner in den Chávez-Jahren von der Hälfte der Bevölkerung auf ein Drittel reduziert werden.

Aber Chávez ist als Präsident auch omnipräsent. In seiner sonntäglichen TV-Show "Aló Presidente" parliert, predigt, plaudert und polarisiert er bis zu acht Stunden live. Als eine Mischung aus Entertainer und Einpeitscher verbreitet er dabei Befreiungstheologie und Revolutionsrhetorik, preist die Errungenschaften seiner Regierung, gibt Geschichtsunterricht oder keilt gegen das "Imperium" aus, als das er die USA zu bezeichnen pflegt. Chávez fühlt sich nun einmal berufen, das Werk des Befreiungshelden Simon Bolívar zu beenden, der 1813 erst die Spanier besiegte und dann die heutigen Staaten Venezuela, Kolumbien, Bolivien und Ecuador von der Kolonialherrschaft befreite. In Chávez' Lesart sind heute die Opposition im eigenen Land und die USA die modernen Kolonialherren, die es zu schlagen gilt.

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