Der Ball liegt bei Ackermann

Trier/Berlin · 40 Seiten umfasst das Schlussdokument der Trierer Synode. Es war die erste in Deutschland seit 1990. Dementsprechend intensiv wurde bis zuletzt um einzelne Formulierungen gerungen. Doch das war erst der Anfang.

 Zu Tränen gerührt: Bischof Stephan Ackermann präsentiert im Trierer Dom das Abschlussdokument der Synode. Foto: Tittel/dpa

Zu Tränen gerührt: Bischof Stephan Ackermann präsentiert im Trierer Dom das Abschlussdokument der Synode. Foto: Tittel/dpa

Foto: Tittel/dpa

Die Trierer vergleichen sich gerne mit Größerem. 1300 Jahre älter als Rom sei ihre Stadt, behauptet frech eine Inschrift am historischen Marktplatz, und Trierer Bischöfe erinnern daran, dass ihr Dom älter sei als manche Basilika im Bistum des Papstes. Nun gibt es einen weiteren Vergleichspunkt für Legenden und Geschichtsbücher: Die jüngste Trierer Bistumssynode hat - in Jahren gerechnet - doppelt so lange gedauert wie die in etwa parallel tagende weltweite Bischofssynode in Rom: Von 2013 bis 2016 erstreckten sich die Beratungen im Bistum Trier .

Und während in Rom Papst Franziskus bereits vor wenigen Wochen die Ergebnisse in dem Schreiben "Amoris laetitia" zusammengefasst und verbindlich interpretiert hat, steht dieser Schritt für den Trierer Bischof Stephan Ackermann noch bevor. Immerhin hat auch der 53-Jährige seit dem späten Samstagabend mit "Herausgerufen. Schritte in die Zukunft wagen" ein umfassendes Abschlusspapier vorliegen. Über 90 Prozent der 280 Synodalen haben dem Dokument ihren Segen gegeben. Ackermann hat Tränen der Rührung in den Augen, als er sich bei ihnen für "die gewaltige Leistung" bedankt. Bis Oktober sollen die Leitungsgremien des Bistums daraus ein verbindliches "Umsetzungsprogramm" erarbeiten - und so auch in der "nachsynodalen Phase" mit Rom mindestens gleichziehen. Bis das alles umgesetzt ist, werden sicher drei bis fünf Jahre vergehen, schätzt Generalvikar Georg Bätzing: "Wir haben jetzt den Teig gemacht, aber er muss noch gebacken werden."

Sieht man von der vergleichbaren Dauer des Verfahrens ab, unterscheiden sich die beiden Synoden jedoch grundlegend: Während in Rom in zwei kompakten Sitzungsperioden von drei Wochen darüber gestritten wurde, was christliche Familie im 21. Jahrhundert bedeutet, ging es in den sieben Vollversammlungen in Trier, Saarbrücken und Koblenz um ganz unterschiedliche, oft sehr konkrete Themen auf regionaler Ebene.

Die "großen" Fragen nach der Rolle der Geschlechter und der Zukunft der Familie konnten gemäß dem Kirchenrecht nicht lokal zur Abstimmung gestellt werden, sie wurden in eigenen Foren in unverbindlicher Form debattiert. Um so ausgiebiger wurde um die "kleinen", entscheidbaren Themen gerungen. Dabei wurde während der Synode dieses alten Bistums mit seinen vielen kleinen Pfarreien wie in einem Brennglas deutlich, welchen Traditionsbruch die katholische Kirche vor allem im Westen Deutschlands seit einer Generation durchmacht.

"Abschiednehmen" und "Paradigmenwechsel" waren zwei häufig gebrauchte Begriffe. Sie sollen beschreiben, was jeder Katholik in dieser Region längst spürt: Die Zeiten der Volkskirche, die in Dorf und Stadt noch bis in die 1980er Jahre die Gesellschaft durchdrang und Traditionen und Moral prägte - sie sind unwiederbringlich vorbei. Vorbei auch die grandiosen Priesterweihen im Dom, die jährlich 20 und mehr neue Seelsorger ins Bistum entsandten.

Viele von denen, die jetzt als Theologen und als Praktiker die Debatten der Trierer Synode prägten, kommen noch aus diesen "starken Jahrgängen". Von einem echten Seelsorgenotstand, wie ihn viele Bistümer Ostdeutschlands kennen, sind die alten Bistümer im Westen und Süden Deutschlands noch einen Schritt weit entfernt.

Um so drängender der Wunsch, nicht erst nach dem Absturz eine ganz andere, dynamische Perspektive zu finden. Niemand will eine immer ausgeklügeltere Mangelverwaltung mit noch komplexeren Pfarreien-Konglomeraten und gestressten Wanderseelsorgern. Der Wunsch nach einem neuen Anfang zog sich wie ein roter Faden durch die Debatten.

Die Trierer Synodalen haben sich schwer getan mit der Benennung neuer Perspektiven und noch schwerer damit, Begriffe zu finden, die außerhalb kirchlicher Kreise verstanden werden. Synode ist nun mal ein mühsames Geschäft. Manchen Antrag und einige Diskussionen dürften Beobachter nur mit Kopfschütteln quittiert haben. So wurde etwa am letzten Tag noch über den Antrag diskutiert und abgestimmt, aus Anhang A Anhang B zu machen und umgekehrt. "Jetzt wird es aber allerhöchste Zeit", sehnt ein Teilnehmer über Twitter das Ende der Debatte herbei. Dennoch hat die bislang einzige deutsche Bistumssynode dieses Jahrhunderts Beachtliches geleistet. Kommende Synoden können davon lernen und vielleicht auch einiges besser machen.

Meinung:

Revolutionäre Kursbestimmung

Von SZ-Mitarbeiter Martin Pfeil

Die Ergebnisse der Bischofssynode sind geradezu revolutionär. Die Trierer Kirche will nicht länger gewohnte Strukturen, Standards, Besitzstände und Routinen bedienen, die viel Kraft kosten und den Eindruck erwecken, der Kirche gehe es in erster Linie um sich selbst. Sie nimmt genau davon Abschied. Stattdessen soll die Kirche radikal den einzelnen Menschen in den Blick nehmen und - Zitat - "auch die Begegnung mit den verwundeten, an den Rand gedrängten, armen, benachteiligten Menschen suchen". Na, wenn das nicht den Geist von Papst Franziskus atmet! Zudem gelten im Bistum auch innerkirchlich künftig neue Perspektiven: die Mitwirkungsrechte der Laien, also eines jeden getauften, gläubigen Christen, werden massiv gestärkt, Berührungsängste und Tabus abgebaut und eine weitreichende Öffnung der katholischen Kirche eingeleitet. So neu ist der radikale Ansatz der Synode allerdings nicht. Im Prinzip wendet sie die Kirche zu ihren ganz frühen Wurzeln.

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 Es geht um die Zukunft der Kirche im Bistum Trier: 280 Synodalen bei der Vollversammlung der Synode. Foto: Knittel/dpa

Es geht um die Zukunft der Kirche im Bistum Trier: 280 Synodalen bei der Vollversammlung der Synode. Foto: Knittel/dpa

Foto: Knittel/dpa

Hintergrund Die Vollversammlung der Synode hat ein umfangreiches Reformkonzept verabschiedet. So werden beispeilsweise aus den knapp 900 Pfarreien im Bistum 60 Großpfarreien. Dort sollen sich Haupt- und Ehrenamtliche absprechen, an welchem Ort bestimmte kirchliche Angebote gemacht werden. Laien bekommen mehr Mitsprache- und Mitentscheidungsrechte. So werden die Großpfarreien von einem Team geleitet, dem neben dem Priester mindestens zwei weitere Hauptamtliche und eventuell zusätzliche Ehrenamtliche angehören. Die Rätestruktur wird neu gestaltet. Ein Diözesanrat soll den Bischof bei allen wichtigen Entscheidungen beraten und unterstützen. In dem Gremium sitzen Mitglieder des Priesterrats, des Katholikenrats und weitere Gläubige. Mit dem Begriff des Scheiterns bei Trennungen oder Scheidungen will das Bistum Trier künftig behutsam umgehen. Für die Betroffenen sollen explizit pastorale Angebote entwickelt werden. sey

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