Dem Vergessen entrissen

Berlin · Mehr als 658 000 sowjetische Kriegsgefangene, Zwangsarbeiter oder Soldaten sind in Deutschland bestattet. Noch heute wollen viele Menschen etwas über den Verbleib ihrer Angehörigen erfahren. Eine neue Datenbank soll helfen.

Sie liegen manchmal im Verborgenen, hinter Bäumen und Büschen, in Wäldern. Viele Menschen werden gar nicht wissen, dass es sie in ihrer Stadt, in ihrer Gemeinde, vielleicht sogar in ihrem kleinen Dorf gibt: Gräber von sowjetischen Kriegsgefangenen, Zwangsarbeitern oder Soldaten der Roten Armee. Bundesweit gibt es 4100 solcher Erinnerungsorte - und sie befinden sich nicht nur in Ostdeutschland. Vor 70 Jahren endete der Zweite Weltkrieg, jetzt wurde in Berlin eine umfassende Online-Datenbank freigeschaltet, mit der jeder auf Spurensuche gehen kann.

Im ganzen Land sind diese Friedhöfe und Gedenkstätten verteilt. Allein in Nordrhein-Westfalen findet man über 1000. Bundespräsident Joachim Gauck wird deshalb am Mittwoch der Weltkriegsopfer im westfälischen Schloss Holte-Stukenbrock gedenken. Auf dem dortigen sowjetischen Soldatenfriedhof liegen mehr als 65 000 Opfer. Insgesamt, so die russische Botschaft, sind in Deutschland mehr als 658 000 russische beziehungsweise sowjetische Bürger bestattet. Nur etwa 155 000 sind namentlich bekannt - Menschen, die von den Nationalsozialisten zur Zwangsarbeit verschleppt wurden. Bewegende Schicksale, die das Deutsch-Russische Museum in Berlin-Karlshorst zum Teil dokumentiert.

2011 riefen Museum und Botschaft das Projekt einer Online-Datenbank in deutscher und russischer Sprache ins Leben, zum 70. Jahrestag des Überfalls Nazi-Deutschlands auf die Sowjetunion. Seitdem sammelten die Experten Daten, Fakten, Fotos, die ihnen teilweise von engagierten Bürgern zugeliefert wurden. Das Angebot solle dazu beitragen, die Erinnerung an die unzähligen Todesopfer auf deutschem Boden wach zu halten, sagte der Direktor des Deutsch-Russischen Museums, Jörg Morré. Die Datenbank enthält kurze Angaben zur Lage, der Art der Grabanlage, der bestatteten Personengruppe, zum Ansprechpartner vor Ort sowie Fotos. Viele Menschen in Russland würden nach wie vor etwas über den Verbleib ihrer Angehörigen in Erfahrung bringen wollen. Dazu könne die Datenbank eventuell beitragen, sagte Morré. Man entreiße die Opfer dem Vergessen, betonte der Vorstand der Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft", Günter Saathoff. Ziel ist auch, die Datenbank zu erweitern: Private Internetnutzer oder Institutionen sollen bislang unbekannte Erinnerungsstätten sowie ergänzende Informationen oder Fotos zu sowjetischen Kriegsopfern beisteuern.

sowjetische-memoriale.de

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