„Dem bösen Ami trauen sie wirklich alles zu“

Eigentlich ist es ganz einfach: Wenn irgendwo etwas Schlimmes passiert, stecken die USA dahinter. Warum Verschwörungstheoretiker die Welt so sehen, erklärt der Berliner Publizist Tobias Jaecker im Gespräch mit SZ-Redakteur Pascal Becher.

Herr Jaecker, immer wenn irgendwo ein Präsident stirbt, ein Krieg ausbricht oder ein Flugzeug abstürzt, kursieren sofort die ersten Legenden, die die angeblich "wahren Hintergründe" der Ereignisse erklären. Warum ist das so?

Jaecker: Wenn der gewohnte Lauf der Dinge durchbrochen wird - etwas Unvorhersehbares passiert -, werden die Menschen nervös. Sie fragen sich: Was steckt dahinter? Warum ist das jetzt passiert? Soweit ist das auch völlig normal, Dinge zu hinterfragen.

Solange die Leute unvoreingenommen sind.

Jaecker: Genau. Verschwörungstheoretiker hingegen hören Nachrichten völlig anders. Es ist etwas passiert, und für sie steht eigentlich sofort der Schuldige fest. Mal sind es die Amerikaner, mal die Juden. Und dafür suchen sie dann "Beweise". Egal was, Hauptsache die eigene Denkweise wird bestätigt. Das wird dann alles zu einem Riesen-Konstrukt zusammengeschichtet, und so glauben die Verschwörungstheoretiker am Ende tatsächlich, belegen zu können, dass ein Präsident tatsächlich vom Geheimdienst umgelegt wurde - genau wie sie es vermutet hatten.

Warum kommen die Schurken eigentlich fast immer aus den USA?

Jaecker: Die Amerikaner stehen nicht zuletzt deshalb im Fokus der Verschwörungstheoretiker, weil die USA ein mächtiges Land sind. Politisch und wirtschaftlich. Tatsächlich passiert ja viel in der Welt, an dem die USA ganz real einen Anteil haben. Und deshalb ist es prinzipiell auch nicht falsch, in diese Richtung zu schauen. Die Verschwörungstheoretiker pflegen aber ein völlig verzerrtes Wahnbild vom "bösen Ami". Ihm trauen sie wirklich alles zu. Und zwar automatisch.

Das klingt so, als bräuchten die Menschen immer einen Sündenbock für eine Katastrophe …

Jaecker: Durchaus. Menschen, die an diese Theorien glauben, können sich so als unschuldige Opfer fühlen. Sie zeigen mit dem Finger auf einen Übeltäter in weiter Ferne. So ist es nicht mehr nötig, sich mit der komplexen Realität auseinanderzusetzen. Verschwörungstheorien scheinen die Welt leichter erklärbar zu machen. Tatsächlich werden mit ihnen nur Vorurteile bedient.

Und sind die Theorien erstmal in der Welt, sind sie kaum totzukriegen.

Jaecker: Der harte Kern, der an so etwas glaubt, ist auch nicht vom Gegenteil zu überzeugen. Sie ignorieren offizielle Untersuchungen und Beweise, deuten sie vielmehr als Propaganda der Regierung um. Also als ein Beleg dafür, dass der Staat die "wahren Hintergründe" vertuschen will. Diese Leute erreicht man nicht mit rationalen Argumenten. Es gibt aber auch Menschen, die Verschwörungstheorien einfach lustig finden und sie nur deshalb verbreiten.

Wie die Bielefeld-Lüge?

Jaecker: Ja. Ich war ja auch noch nie dort, bin nur mit der Bahn durchgefahren. Vielleicht alles nur Kulisse, wer weiß das schon ...

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