Delikate Komik beim Goethe-Beschimpfen im TiV

Saarbrücken. Gut, dass Goethe nicht da ist. Es möchte ihm wahrscheinlich gar nicht gefallen, wie seine Weimarer Geliebte Charlotte von Stein von ihm spricht: nämlich schlecht

Saarbrücken. Gut, dass Goethe nicht da ist. Es möchte ihm wahrscheinlich gar nicht gefallen, wie seine Weimarer Geliebte Charlotte von Stein von ihm spricht: nämlich schlecht. Befindet sich die Dame doch erstens in der unglücklichen Lage, von ihm verlassen worden zu sein, und zweitens ihrem aufgebrachten Gatten Rede und Antwort stehen zu müssen über das zehn Jahre währende Verhältnis mit dem Dichterfürsten, zu dem sie außerdem regen Briefkontakt pflegte. Der Klage führende Ehemann sitzt in Albrecht Ochs' Inszenierung von Peter Hacks' monologischem Schauspiel "Ein Gespräch im Hause Stein über den abwesenden Herrn von Goethe" in Form eines lebensgroßen Holz-Scherenschnitts am Tisch - ein zum stummen Zuhören Verdammter, der Charlottes Abrechnung mit ihm selbst, ihre Beschimpfungen des Dichterfürsten und all ihre Rechtfertigungsversuche widerspruchslos hinnehmen muss. Für ihre Darstellung erntete die St. Ingberter Schauspielerin Ursula Ochs-Steinfeld am Freitag (weitere Vorstellung: Samstag) im Theater im Viertel (TiV) langen Applaus. Wie Charlottes verzweifelte Bemühungen zur Rettung der eigenen Ehre in einen Offenbarungseid münden, indem sie Liebe zu Goethe erst zu leugnen versucht und ihn mit allen Mitteln gewiefter Rhetorik herabsetzt, um sich durch ihr ungeduldiges Warten auf den Postboten selbst zu verraten - das hatte hier durchaus delikate Komik. Aber dafür bürgt allein schon Hacks' in einem dramaturgisch ausgetüftelten Bogen gespannter Text. Ochs-Steinfeld feiert ihn - man hätte ihr und dem Regisseur mehr Mut zu Pausen, weniger kalkuliert wirkenden Brüchen und einem nicht durchgängig gezierten Tonfall gewünscht. Doch gelingt es ihr glaubhaft, sich von kühler Überlegenheit in eine verträumte Verliebtheit zu spielen und den geplatzten Selbstbetrug deutlich zu machen. kek

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