Debatte über Corona-Immunitätspass Wirbel um den Immunitätsnachweis

Berlin · Gesundheitsminister Jens Spahn macht eine Entscheidung von der Stellungnahme des Ethikrats abhängig.

 Ein Labormitarbeiter hält ein Teströhrchen für einen Covid-19-Antikörpertest in der Hand: Die Bundesregierung setzt im Kampf gegen das Coronavirus auf die Einführung eines Immunitätsausweises. 

Ein Labormitarbeiter hält ein Teströhrchen für einen Covid-19-Antikörpertest in der Hand: Die Bundesregierung setzt im Kampf gegen das Coronavirus auf die Einführung eines Immunitätsausweises. 

Foto: dpa/Lee Jin-Man

Die Bundesregierung plant im Zuge der Corona-Pandemie die Einführung eines sogenannten Immunitätsausweises für Bürger, von denen keine Infektionsgefahr mehr ausgeht. Kritiker sehen darin große Gefahren für das gesellschaftliche Zusammenleben. Nachfolgend die wichtigsten Hintergründe der Debatte im Überblick:

Was will die Regierung genau?

Bereits am vergangenen Mittwoch hatte das Bundeskabinett einen weiteren Gesetzentwurf „zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ beschlossen. Darin geht es um einen Bonus für Pflegekräfte, aber auch um wichtige Änderungen des Infektionsschutzgesetzes. Demnach sollen die Regeln zum Impfausweis durch eine „Immunitätsdokumentation“ für alle übertragbaren Krankheiten, nicht nur Covid-19, ergänzt werden. Also zum Beispiel auch Hepatitis. Festgehalten werden soll, wann die Immunität festgestellt wurde, ihre zu erwartende Dauer, die Testmethode sowie der Name des damit befassten Arztes.

Was soll noch geregelt werden?

Bei der Anordnung und Durchführung von Schutzmaßnahmen gegen übertragbare Krankheiten soll laut Entwurf „in angemessener Weise“ berücksichtigt werden, ob eine Person eine Krankheit „wegen eines bestehenden Impfschutzes oder einer bestimmten Immunität nicht oder nicht mehr übertragen kann“. Für diesen Fall soll von individuell bezogenen Maßnahmen wie beispielsweise häuslicher Quarantäne abgesehen werden können. Auch allgemeine Restriktionen wie etwa Ausgangsbeschränkungen könnten für Personen mit Immunitätsnachweis dann nicht mehr gelten. Im Umkehrschluss blieben alle Menschen in ihren Grundrechten eingeschränkt, die keinen solchen Nachweis haben.

Was spricht für das Vorhaben?

Befürworter verweisen darauf, dass es immer mehr Corona-Genesene gibt, die sogar vor Gericht ziehen könnten, um für sich Ausnahmen etwa im Hinblick auf die Bewegungsfreiheit zu erwirken. Nach Ansicht von Gesundheitsminister Jens Spahn ist das Vorhaben zudem im Interesse von Ärzten und Pflegekräften, die dann ohne Ansteckungsgefahr ihrer Arbeit nachgehen können. Am Montag stellte der CDU-Politiker allerdings klar, mögliche ethische Probleme bei einem Immunitätsnachweis zu berücksichtigen. Zu diesem Zweck hat Spahn den Deutschen Ethikrat um eine Stellungnahme gebeten. Bis dahin solle es keine Neuregelungen zu diesem Thema geben, so Spahn.

Wie argumentieren die Kritiker?

Die meisten sagen, dass ein Immunitätsnachweis die Gesellschaft in zwei Lager zu spalten droht. Außerdem verweisen sie auf medizinische Unwägbarkeiten. „Zurzeit lässt sich überhaupt nicht verlässlich feststellen, ob jemand wirklich immun ist“, betonte der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach gegenüber unserer Redaktion. So würden die Antiköpertests nicht selten ein unzuverlässiges Ergebnis liefern.

Ein weiterer Schwachpunkt: „Wenn es für einen Ausweisbesitzer Vorteile gibt, dann ist das ein Anreiz, sich absichtlich anzustecken, um das Dokument zu bekommen“, so Lauterbach. Auch Grünen-Chef Robert Habeck fürchtet, dass sich Menschen vorsätzlich anstecken würden, „um im Shutdown wieder mehr Freiheiten als andere zu erhalten“. Nach Einschätzung Lauterbachs würde ein Immunitätsnachweis „erst dann Sinn ergeben, wenn es einen verlässlichen Impfstoff gibt“. Insofern komme die ganze Debatte zur Unzeit, sagte der SPD-Politiker.

Wie geht es jetzt weiter?

 Bundesgesundheitsminister  Jens Spahn (CDU)

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU)

Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka

Bereits an diesem Donnerstag will der Bundestag in erster Lesung über den Regierungsentwurf beraten. Wie es danach weiter geht, ist noch unklar. Vor wenigen Wochen wollte Gesundheitsminister Spahn zum Beispiel auch eine nicht anonymisierte Handy-Ortung zur besseren Ermittlung von Kontaktpersonen von Infizierten gesetzlich fixieren. Doch war er damit am Widerstand von Datenschützern gescheitert. Jetzt wird an neuen Apps gearbeitet.

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