De Maizière: Es kommen nur noch 200 Asylsuchende pro Tag

Berlin · Die Zahl ankommender Flüchtlinge in Deutschland sinkt deutlich. Zudem werden immer mehr Asylanträge abgearbeitet und mehr abgelehnte Asylbewerber abgeschoben. „Wir haben viel erreicht“, fanden gestern Innenminister Thomas de Maizière (CDU) und Frank-Jürgen Weise, Chef des Bundesamtes für Migration, vorstellte. SZ-Korrespondent Hagen Strauß beantwortet die zentralen Fragen zur Asylpolitik:

Wie viele Flüchtlinge sind in diesem Jahr gekommen?
Im März wurden nur noch gut 20 000 Asylsuchende erfasst, im Februar rund 60 000, im Januar etwa 90 000. Dagegen wurden im letzten Quartal 2015 knapp eine halbe Million Asylsuchende registriert. Derzeit liegt der Tagesdurchschnitt bei deutlich unter 200 Erfassungen pro Tag. Es sei aber zu früh, um eine Jahresprognose zu stellen. "Das wäre nicht seriös", so der Innenminister.

Wo liegen die Ursachen für den Rückgang?
De Maizière bestritt nicht, dass der Rückgang wesentlich auf die Schließung der Balkanroute zurückzuführen ist. Die Regierung hatte dies immer kritisiert. Der Streit darüber sei aber durch das Inkrafttreten des EU-Türkei-Abkommen "erledigt". Der Minister betonte überdies: "Die von uns ergriffenen Maßnahmen wirken." So wurden Asylverfahren beschleunigt und Grenzkontrollen wieder aufgenommen.

Ist die Verwaltung entlastet?
Nein. Während die Zahl derer, die nach Deutschland kommen, sinkt, steigt die Zahl der Asylanträge. Hintergrund ist, dass das Bundesamt bei der Bearbeitung weit im Rückstand ist und viele Menschen erst lange nach ihrer Ankunft einen Asylantrag stellen können. So wuchsen die unerledigten Fälle auf fast 410 000 an. Seit Jahresanfang haben rund 180 000 Geflüchtete Asyl beantragt, während 150 000 Entscheidungen getroffen wurden. Im Vergleichszeitraum 2015 waren es 58 000. Abgelehnt wurden 2016 bislang rund 38 000 Anträge.

Wie lange dauert jetzt ein Asylverfahren?
Durch den Rückstau hat sich die Dauer der Asylverfahren laut Weise im Schnitt von 5,2 auf sechs Monate erhöht. Er hofft, dass noch im laufenden Jahr alle offenen Verfahren abgearbeitet sein werden. Bei neuen Anträgen geht es mit weniger als drei Monaten schneller. Und nur maximal eine Woche dauert es bei Menschen aus unsicheren Ländern wie Syrien oder sicheren Herkunftsstaaten wie den Balkanländern.

Wird die Flüchtlingszahl weiter zurückgehen?
Eher nicht. Schlepper und Flüchtlinge werden sich neue Wege suchen. De Maizière nannte die Route von Libyen nach Italien. Laut Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) sollen bis zu 200 000 Afrikaner in Libyen auf eine Überfahrt nach Europa warten. De Maizière hält die Zahl sogar für zu niedrig angesetzt. Deswegen sollen derzeit nicht benötigte Einrichtungen zur Erstaufnahme auch nicht abgebaut oder stillgelegt werden.

Wie steht es um die Abschiebungen?
Die Zahl abgeschobener Asylbewerber ist gestiegen. Im Januar und Februar wurden 4500 zurückgeführt, doppelt so viele wie im selben Zeitraum 2015. Auch die Zahl freiwilliger Ausreisen nimmt zu. Im Februar waren es 5000 im Vergleich zu 1300 ein Jahr zuvor.


Meinung:Jetzt keine Zeit verlieren

Von SZ-KorrespondentWerner Kolhoff

Das gegenwärtige Abschwellen des Flüchtlingsstroms gibt der Politik die Chance, sich konzentriert der nächsten Großprobleme zu widmen: Wohnung, Arbeit, Integration. Schnelle Beschlüsse über Sonderprogramme, Unterstützung der Kommunen und begleitende Gesetze sind notwendig. Scheindebatten helfen in dieser Phase nicht viel. So ist es zwar richtig, jenen Zuwanderern, die Jobangebote und Deutschkurse verweigern, kein Daueraufenthaltsrecht zu gewähren. Doch muss es dann auch genug Jobs, Ausbildungsstellen und Sprachkurse geben. Hier ist schlichtweg beides notwendig, Fordern und Fördern. Bei einigermaßen gutem Willen ließe sich so etwas auch beschließen. Viel Zeit hat die Politik nicht. Die nächste Flüchtlingswelle kommt.

Zum Thema:

Griechenland hat gestern nach mehreren Tagen Unterbrechung die Abschiebung von Flüchtlingen in die Türkei fortgesetzt. Die meisten der über 200 Abgeschobenen stammen aus Pakistan. Es wird damit gerechnet, dass die Türkei sie in ihre Heimat zurückbringen wird. Zwei Schiffe mit 124 Migranten wurden über die Ägäis, weitere 97 Menschen wurden über Land zurückgeschickt. dpa

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort