Dauerstau in Deutschlands Städten – Wird es immer schlimmer?

Köln · Der durchschnittliche Kölner Autofahrer steht im Jahr 65 Stunden im Stau. In anderen deutschen Städten sieht es auch nicht viel besser aus. Und Abhilfe ist nicht in Sicht – im Gegenteil.

 Achtung Stau: Im Schnitt steht jeder Deutsche im Jahr 39 Stunden im Stau. Grafik: SZ

Achtung Stau: Im Schnitt steht jeder Deutsche im Jahr 39 Stunden im Stau. Grafik: SZ

Dass Köln laut einer Studie Deutschlands Stauhauptstadt ist, überrascht Beate Falk aus dem Stadtteil Nippes kein bisschen. Sie hat darauf schon längst reagiert: Das Auto bleibt die meiste Zeit in der Garage, stattdessen hat sie jetzt sechs Fahrräder. Eins für jede Lebenslage. "Die vielen Baustellen hier, das ganze Gewühle - nee, da schwing ich mich doch lieber aufs Rad!"

Der Verkehrsdatenanbieter Inrix hat für die Studie 22 Ballungsräume untersucht und festgestellt: In Köln standen die Autofahrer letztes Jahr insgesamt 65 Stunden im Stau - neun Stunden mehr als im Jahr davor. Stuttgart folgte knapp danach, dann kamen Karlsruhe, Düsseldorf, Hamburg und München. In 17 der 22 untersuchten deutschen Ballungsräume hat die Staudauer im vergangenen Jahr zugenommen. Hauptgründe dafür waren der Studie zufolge, dass die Wirtschaft brummt und viele Städte wachsen.

Der Stauforscher Michael Schreckenberg von der Universität Duisburg-Essen kennt noch einen Grund: Die deutsche Infrastruktur, die überwiegend aus der Nachkriegszeit datiert, ist marode. Und zwar nicht nur die Straßen, Brücken und Tunnel selbst, sondern zum Beispiel auch die darunter liegenden Kanäle und Rohrleitungen. "Es muss viel saniert werden, das haben wir überall." Stauforscher Schreckenberg prophezeit: "Wir werden da immer mehr Sperrungen haben, das geht weiter."

Köln , eine schnell wachsende Stadt mit täglich 300 000 Einpendlern, ist dafür ein gutes Beispiel: Weil die baufällige Leverkusener Rheinbrücke für schwere Fahrzeuge gesperrt werden musste, verstopft der Lastwagenverkehr nun die innerstädtischen Brücken. "Auf den Autobahnen rund um Köln hat sich die Situation dadurch deutlich zugespitzt", sagt Klaus Harzendorf vom Kölner Amt für Straßen- und Verkehrstechnik.

Dazu kommt Folgendes: Die heutigen Anforderungen etwa an einen neuen Tunnel sind viel höher als in früheren Zeiten. Deswegen können sich die Bauarbeiten auch schon mal hinziehen. Gleichzeitig wird es auf den Straßen immer voller. Der Pkw-Verkehr stagniert zwar oder nimmt sogar etwas ab (wobei die derzeit niedrigen Benzinpreise diesem Trend entgegenwirken). "Was aber drastisch zunimmt, ist der Lkw-Verkehr", betont Schreckenberg.

"Der Antwerpener Hafen expandiert zum Beispiel extrem, und ebenso Rotterdam. Antwerpen wird eine Zunahme von 50 Prozent im Güterverkehr haben. Dieser Zuwachs wird komplett von der Straße aufgefangen."

Das alles stimmt nicht gerade hoffnungsvoll. Man kann natürlich auf die nächste Wirtschaftskrise hoffen - in der letzten ging der Lkw-Verkehr um elf Prozent zurück. Aber das ist wohl auch nicht die Lösung.

Schreckenberg meint, dass man mehr sanieren statt aufwändig neu bauen solle: "Aber kein Verkehrsminister in Deutschland saniert gern, denn damit kann man nicht glänzen." Außerdem fordert er, dass auf Baustellen Tag und Nacht und auch am Wochenende gearbeitet werden muss: "Man kann viele Dinge wesentlich schneller machen."

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HintergrundDas Unternehmen Inrix aus den USA wertet nach eigenen Angaben jedes Jahr mehrere Milliarden Daten aus. Um herauszufinden, wie viele Stunden Autofahrer beim täglichen Pendeln im Jahr im Stau verbringen, vergleicht Inrix die Zeiten, die bei normalem Verkehr nötig wären mit den tatsächlichen Fahrtzeiten. Dabei wird angenommen, dass ein Pendler im Jahr 440 Fahrten zurücklegt - und zwar von Montag bis Freitag zwischen 6 Uhr und 10 Uhr sowie 15 Uhr und 19 Uhr. dpa

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