„Das war nicht klug“

Saarlouis · Seit 2010 ist Gerhard Hartmann saarländischer Standortbeauftragter des Deutschen Bundeswehrverbands. Nach 35 Jahren bei der Luftlandebrigade 1 kennt der Oberstabsfeldwebel d.R. die Strukturen der Truppe gut.

 Gerhard Hartmann, Oberstabsfeldwebel d. R. Foto: DBWV

Gerhard Hartmann, Oberstabsfeldwebel d. R. Foto: DBWV

Foto: DBWV

Wie haben Sie die Vorwürfe von der Leyens aufgenommen?

HARTMANN Ich war erschüttert, als ich das Interview gesehen habe. So kann man mit Menschen, die die demokratischen Werte Deutschlands vertreten, nicht umgehen. Frau von der Leyen hat verallgemeinert und jedem Soldaten, der einen anständigen Dienst tut, auf die Füße getreten. Das war nicht klug. Ich habe mich gefragt, wie sich die in Mali oder Afghanistan stationierten und nicht unbedingt gut ausgestatteten Soldaten wohl fühlen müssen.

Stimmen die Vorwürfe denn nicht?

HARTMANN Die Verallgemeinerung stimmt nicht. Vorgesetzte, die wegschauen, habe ich in meiner Laufbahn auch gesehen. Einiges wurde "christlich gelöst", also indem man weggeschaut hat. Das ist eine Missinterpretation der Kameradschaft. Denn es besteht die Pflicht, Fehlverhalten mitzuteilen.

Welche Probleme sehen Sie?

HARTMANN Viele Soldaten führen mit dem Dienstgrad, besitzen also keine Führungsqualität. Nur weil sie einen Dienstgrad haben, meinen sie, sie können Befehle geben. Auch das Kameradschaftliche ist verloren gegangen. Man tauscht sich kaum noch aus. Aber nur durch Zusammenhalt kann man auch im Einsatz überleben. Viele, die in den letzten Jahren zur Bundeswehr gekommen sind, wollen vor allem Karriere machen und Geld verdienen. Soldat ist aber kein Beruf, sondern Berufung.

Wie ist es dazu gekommen?

HARTMANN Das hängt viel mit der Ausbildung zusammen. Ein Feldwebel drückt heute drei bis vier Jahre die Schulbank, bevor er Kameraden führt. Er wurde dann in Wehrrecht und in militärischer Fachverwendung ausgebildet, ist aber nicht am Menschen dran. Danach soll er dann plötzlich verantwortlich Menschen führen. Klar, dass das dann viele überfordert. Als ich zur Bundeswehr gegangen bin, war man schon nach gut eineinhalb Jahren Unteroffizier und hat Menschen geführt.

Besteht auch ein Zusammenhang mit dem Wegfall der Wehrpflicht?

HARTMANN Sicherlich. Wir haben ja mittlerweile schon Karriere-Center, um junge Leute anzuwerben. Ich bin ein Befürworter des Grundwehrdienstes. Schweden führt sie wegen der geänderten Sicherheitslage zum 1. Juli wieder ein. Sollte man sie wieder einführen, müsste man das Wehrpflichtgesetz aber auch ändern: Männlein und Weiblein müssen gleichgestellt sein, um für Deutschland ihren Dienst zu leisten.

Die Fragen stellte Jasmin Kohl.

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