Das US-Verteidigungsministerium plant Milliarden-Einschnitte

Washington. Robert Gates (Foto: afp) profiliert sich als Sparkommissar. Der blasse Technokrat, der schon in der Endphase George W. Bushs Verteidigungsminister war und es unter Barack Obama immer noch ist, wählt ungewohnt offene Worte, um zur Trendwende zu blasen. 100 Milliarden Dollar gedenkt Gates in den nächsten fünf Haushaltsjahren, von 2012 bis 2016, einzusparen

Washington. Robert Gates (Foto: afp) profiliert sich als Sparkommissar. Der blasse Technokrat, der schon in der Endphase George W. Bushs Verteidigungsminister war und es unter Barack Obama immer noch ist, wählt ungewohnt offene Worte, um zur Trendwende zu blasen. 100 Milliarden Dollar gedenkt Gates in den nächsten fünf Haushaltsjahren, von 2012 bis 2016, einzusparen. So drastisch, wie es klingt, sind die Kürzungen allerdings nicht. Der Pentagon-Etat soll auch in Zukunft wachsen, jedoch nur noch um zwei bis drei Prozent pro Jahr, nicht mehr um sieben Prozent, wie es seit den Terroranschlägen des 11. September 2001 die Regel gewesen war. Im Kern will der Minister bürokratische Auswüchse beschneiden, um mehr Geld für Truppeneinsätze, etwa in Afghanistan, zur Verfügung zu haben. An Beispielen kostspieliger Selbstläufer mangelt es nicht. So produziert das Pentagon binnen zwölf Monaten mehr als 700 Studien für den Kongress, während man sich 1970 noch mit 37 Papieren begnügte. Knapp eintausend Analytiker sind allein damit beschäftigt, Berichte zu schreiben, von denen keiner weiß, wer sie überhaupt liest. In Europa leisten sich die US-Streitkräfte eine Vielzahl hochbezahlter Stellen, die noch aus dem Kalten Krieg stammt und die sich seitdem niemand zu kürzen traute. In Norfolk im Bundesstaat Virginia unterhalten sie ein Oberkommando (Joint Forces Command), das Experten angesichts paralleler Strukturen für überflüssig halten. Allein dort sind 2800 Soldaten und Zivilangestellte sowie 3300 private Subunternehmer beschäftigt. Nun will Gates das Kommando in Norfolk ersatzlos streichen, die Stellen in Europa abbauen, die Papierflut um ein Viertel kürzen. Das vielleicht wichtigste Symbol: Er setzt den Rotstift bei den vielen Privatfirmen an, die sich als Dienstleister des Pentagon im Namen der nationalen Sicherheit eine goldene Nase verdienen. Um knapp ein Drittel sollen die Ausgaben für die "contractors" sinken. Eine dramatische Wende bedeutet das alles nicht, wohl aber einen energischen Tritt auf die Bremse. Seit dem Terrorschock von 9/11 hat sich das Budget des Pentagon fast verdoppelt, auf heute rund 700 Milliarden Dollar. Für Verteidigung geben die Vereinigten Staaten so viel Geld aus wie die zehn nächststärksten Militärmächte zusammengenommen.Doch mit dem Rekorddefizit des amerikanischen Bundes - für 2011 rechnet man mit einem Minus von 1,4 Billionen Dollar - steigt der Spardruck. Gates, geht der Tenor in Washington, ist gesprungen, bevor man ihn stieß. Doch schon das Begrenzen von Exzessen stößt auf hartnäckige Gegenwehr. In Virginia protestieren demokratische und republikanische Politiker in geschlossener Phalanx gegen die Absicht, das Kommando in Norfolk zu schließen. Meinung

Unsichere Trendwende

Von SZ-MitarbeiterFrank Herrmann Der Verteidigungsetat wuchs und wuchs, nichts schien die Kostenlawine stoppen zu können. Wer Bedenken äußerte, wurde mit dem Hinweis auf die Schrecken des 11. September 2001 sofort in die Schranken gewiesen. Dabei macht vieles schlicht keinen Sinn. Die USA sind die mit Abstand stärkste Militärmacht der Welt, ein paar Milliarden weniger werden daran nichts ändern. Und dem Riesenapparat des Pentagon, einem Paradebeispiel für aufgeblähte Bürokratie, kann eine Schlankheitskur gewiss nicht schaden.Robert Gates ist seit langem der erste Verteidigungsminister, der dies eingesteht. Ob er durchkommt mit seinem Sparkurs, steht auf einem anderen Blatt. Der Widerstand vieler Kongressabgeordneter kann die Trendwende zurück zur Vernunft durchaus noch stoppen.

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