Das Saarland auf der Kippe

Saarbrücken · Es sind alarmierende Zahlen, die die Bertelsmann-Stiftung für das Saarland bereithält. Einzig in Sachsen-Anhalt und Thüringen schrumpft die Bevölkerung stärker als im Saarland. Lichtblicke gibt es nur wenige. Was nun?

Nein, hektisch wird es im Weiskirchen des Jahres 2030 sicher nicht zugehen. Anders als in den Metropolen Deutschlands, in denen die Städter ihren Alltag zwischen Kita und Karriere "irgendwie managen" müssen, gehen die Menschen das Leben im schönen Kurort wohl entspannter an. Klar, sie haben sich längst zur Ruhe gesetzt. 61,6 Prozent der Einwohner werden in 15 Jahren dort 65 Jahre und älter sein. Das sind fast doppelt so viele wie heute (35,8 Prozent), heißt es in einer neuen Prognose der Bertelsmann-Stiftung.

Weiskirchen wird aber mehr sein als ein beliebter Kurort. Es wird regelrecht dem Grundgesetz des demografischen Wandels trotzen: Rein statistisch werden die Weiskircher zwar immer älter, aber kaum weniger. Zählt die Gemeinde im Kreis Merzig-Wadern derzeit rund 6460 Einwohner, sollen hier 2030 etwa 6370 leben.

Doch Weiskirchen ist nicht überall im Saarland. Und landesweit geht die Bevölkerung merklich zurück. Sie soll von 994 000 (2012) auf 916 000 (2030) schrumpfen. Damit fällt der Rückgang mit 7,9 Prozent zwar weniger stark aus als noch 2011 befürchtet (8,8 Prozent). Dennoch wird kaum ein anderes Bundesland so hart vom Wandel getroffen wie das Saarland. Einzig Sachsen-Anhalt (minus 13,6 Prozent) und Thüringen (minus 9,9 Prozent) verlieren einen größeren Teil ihrer Bevölkerung.

Grund für die revidierte Prognose sei der stärkere Zuzug von Migranten, erklärt Petra Klug von der Bertelsmann-Stiftung. Seit 2009 ziehen mehr Menschen hierher als weg. Der Top-Ort ist mit knapp 14 Prozent Perl. Damit ist die beschauliche Gegend an der Grenze zu Frankreich und Luxemburg statistisch gefragter als die Weltstädte Berlin (plus 10,3 Prozent) und Hamburg (plus 7,5 Prozent) - zumindest prozentual. Dies liege wohl daran, dass es viele Grenzgänger gebe, vermutet Petra Klug.

Generell lässt sich hierzulande laut Bertelsmann-Stiftung der Trend ausmachen, dass die städtischen Regionen weiter wachsen werden, während die Einwohnerzahlen im ländlichen Raum meist rückläufig sind. Und das Durchschnittsalter der Saarländer werde von 47,4 Jahren (2012) auf 50,9 Jahre (2030) ansteigen. Der älteste Landkreis wird dann St. Wendel sein. 53,8 Jahre im Schnitt, knapp dahinter folgt Neunkirchen mit 52,5 Jahren. Letzterer wird zudem den größten Bevölkerungsschwund verkraften müssen. Hier werden in nur 15 Jahren etwa zehn Prozent weniger Menschen leben. Die im Schnitt "ältesten" Kommunen werden Marpingen im Kreis St. Wendel (55,3 Jahre) und Kleinblittersdorf im Regionalverband (56,9) sein. Die jüngste Stadt: Saarbrücken (46,2), gefolgt von Völklingen (48,6).

"Das Saarland braucht einen wirklich guten Plan, wie es dem demografischen Wandel, der es hart treffen wird, begegnen will", sagt Klug. Sonst drohten beispielsweise Probleme bei der Finanzierung des öffentlichen Personennahverkehrs oder des Abwassersystems. Auch der Pflegebedarf steige dramatisch. Zudem könnten Unternehmen abwandern, weil ihnen der Standort unattraktiv erscheint.

"Ich sehe diese Entwicklungen nicht als Damoklesschwert", kommentiert der für den ländlichen Raum zuständige Minister Reinhold Jost die Studie. Angesichts "knapper Ressourcen" seien aber Kreativität und Kooperationen gefragt. Er rät: Land und Kommunen müssen verstärkt Leerstände beseitigen statt Neubaugebiete auszuschreiben, soziale Dienste stärken (mit ehrenamtlicher Tätigkeit), Seniorenheime in den Dorfkernen ansiedeln und interkommunale Kooperationen "massiv stärken".

So sieht es auch Petra Klug von Bertelsmann. "Die Kommunen dürfen nicht in einen Konkurrenzkampf eintreten, sonst vergeuden sie womöglich ihre knappen finanziellen Mittel, die sie noch für erforderliche Projekte brauchen." Nicht jeder Ort brauche eine Kita, eine Schule oder ein Schwimmbad. Gemeinsam könne das Land dem demografischen Wandel trotzen.

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HintergrundIn Deutschland werden in den kommenden Jahrzehnten immer mehr sehr alte Menschen leben: Bis 2030 wird die Zahl der über 80-Jährigen um 47,2 Prozent zunehmen, wie aus einer Bevölkerungsprognose der Bertelsmann-Stiftung hervorgeht. Gleichzeitig schrumpfe die bundesweite Einwohnerzahl um mehr als eine halbe Million. Laut Prognose werden in 15 Jahren trotz hoher Zuwanderung in Deutschland nur noch rund 79,9 Millionen Menschen leben, 0,7 Prozent weniger als 2012. Davon sollen mehr als 6,3 Millionen älter als 80 Jahre sein.Der Blick in einzelnen Kommunen zeigt: München, Unterföhring und Münster werden die jüngsten Städte sein. Eine besonders alte Bevölkerung sollen Bad Füssing in Bayern, Guben in Brandenburg und Grömitz in Schleswig-Holstein haben. epd/dpa

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