„Das Problem sind die Überbelegungen“

Nach einer Massenschlägerei in einem Flüchtlingsheim in Calden warnt der Innenexperte der SPD-Bundestagsfraktion, Burkhard Lischka, vor Verallgemeinerungen. Eine Trennung von Religionen, wie es die Polizeigewerkschaft vorgeschlagen hat, sei das Gegenteil von Integration, erklärt er SZ-Korrespondent Hagen Strauß.

Herr Lischka, wie jetzt in Kassel-Calden kommt es offenbar immer häufiger zu Auseinandersetzungen in Flüchtlingsunterkünften. Was kann dagegen unternommen werden?

Lischka: Bei allem Verständnis für die Lage der Flüchtlinge , alle müssen sich an Recht und Gesetz halten. Diejenigen, die wie in Calden Körperverletzungen begangen haben, müssen deshalb auch strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden.

Aber das löst das Problem doch nicht.

Lischka: Wenn es Überbelegungen gibt, teilweise um das Fünf- oder Sechsfache, dann reichen häufig Kleinigkeiten, die zum Streit führen. Man sollte das Problem jedoch nicht verallgemeinern. In der großen Mehrzahl der Unterkünfte herrscht trotz zum Teil widriger Bedingungen ein friedliches Zusammenleben. Ich hoffe, dass wir in den nächsten Monaten ausreichend viele Unterkünfte haben werden, damit sich die Situation der Mehrfachbelegungen entspannt.

Wäre eine Trennung bei der Unterbringung nach Religion oder Ethnie sinnvoll, wie es die Polizeigewerkschaft fordert?

Lischka: In Calden waren es keine religiösen oder ethnischen Konflikte. Das Problem sind die teils großen Überbelegungen. Wir haben einfach im Augenblick die Situation, dass wir in vielen Kommunen die Schwierigkeit haben, die große Zahl der Flüchtlinge überhaupt unterzubringen. Jetzt auch noch zu trennen, würde die Problematik deutlich verschärfen. Außerdem ist das das Gegenteil von Integration, wenn wir jetzt die Konsequenz ziehen, Religionen von vornherein voneinander zu trennen. Ein großer Teil dieser Menschen muss auch in Zukunft zusammenleben.

Aus der Union gibt es Forderungen nach einem Integrationspflichtgesetz. Wie stehen Sie dazu?

Lischka: Wer das aus der Union fordert, sollte sich besser informieren. Es ist bereits so, wenn ein anerkannter Asylbewerber Hartz IV bezieht, kann er verpflichtet werden, an einem Integrationskurs teilzunehmen. Kommt er dem nicht nach, drohen ihm Leistungskürzungen oder aber die Befristung der Aufenthaltserlaubnis. Insofern ist mir schleierhaft, was die Union mit so einem Gesetz bezwecken will.

Ist das eigentliche Problem nicht, dass es zu wenig Sprach- und Integrationskurse gibt?

Lischka: Das ist in der Tat ein Problem. In Deutschland gilt die sogenannte Integrationskursverordnung. Sie legt zum Beispiel fest, dass nur derjenige einen anerkannten und geförderten Integrationskurs als Lehrkraft übernehmen darf, der über die Zusatzqualifikation Deutsch als Fremdsprache verfügt. Ich habe viele Deutschlehrer getroffen, die sich gerne in solche Kurse einbringen würden, die aber die Zusatzqualifikation nicht vorweisen können. Das müssen wir angesichts des Zustroms von Menschen jetzt im Rahmen unserer Flüchtlingsgesetze dringend ändern. Da gibt es auch positive Signale aus der Union.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort