"Das ist hart an der Grenze zum Populismus"

Herr Wasem, die Regierung will die medizinische Versorgung per Gesetz verbessern. Was steckt aus Ihrer Sicht hinter den Verheißungen?Wasem: Wir haben in der Tat Probleme bei der Versorgung der Patienten, die sich aber durch technische und organisatorische Maßnahmen lösen ließen. Also zum Beispiel eine verbesserte Bedarfsplanung

Herr Wasem, die Regierung will die medizinische Versorgung per Gesetz verbessern. Was steckt aus Ihrer Sicht hinter den Verheißungen?

Wasem: Wir haben in der Tat Probleme bei der Versorgung der Patienten, die sich aber durch technische und organisatorische Maßnahmen lösen ließen. Also zum Beispiel eine verbesserte Bedarfsplanung. Weil das einen Laien aber kaum vom Hocker reißt, mischen Regierung und Opposition ihren Konzepten im Wahljahr ein paar zugkräftige Nummern bei, die teilweise hart an der Grenze zum Populismus sind.

Was meinen Sie konkret?

Wasem: Natürlich klingt es verlockend, wenn Union und SPD Zwei-Bett-Zimmer zum Standard machen wollen und bei höheren Belegungen mit finanziellen Einbußen für die Krankenhäuser drohen. Aber was ist damit gewonnen? Oft sind es gerade Kliniken mit einem guten Ruf, in denen Patienten auch in Drei- oder Vier-Bett-Zimmern schlafen müssen. Denn entsprechend stark sind sie frequentiert. Umgekehrt können Kliniken, die weniger gut sind, auch leichter Zwei-Bett-Zimmer anbieten.

Die Unterbringung ist also noch kein Ausdruck von Qualität?

Wasem: Zumindest kein hinreichender. Wenn man beides zusammenbringen will, also hoher Zimmerstandard und exzellente Behandlungsqualität, dann wird das auch bauliche Maßnahmen erfordern, die Geld kosten. Die Politik will jedoch Häusern mit Vier-Bett-Zimmern Geld streichen. Das ist hoch problematisch. Denn damit tut man der Versorgungsqualität keinen Gefallen. Viele Häuser würde das auch wirtschaftlich treffen. Hier muss man in Ruhe nach Lösungen suchen, anstatt mit politischen Schnellschüssen zu operieren.

Woran denken Sie dabei?

Wasem: Gegenwärtig ist es doch so, dass die Länder ihren Investitionsverpflichtungen für die Kliniken nur unzureichend nachkommen. Ein- und Zwei-Bett-Zimmer als private Kassenleistung sind deshalb für die Krankenhäuser eine zusätzliche Geldquelle, um solche Defizite auszugleichen. Das Problem lässt sich also nur lösen, wenn die Länder stärker in die Pflicht genommen werden.

Maximal drei Wochen sollen Kassenpatienten auf einen Arzttermin warten, die SPD will sogar höchstens fünf Tage . Ist das realistisch?

Wasem: Auch hier ist der politische Eifer, etwas Werbewirksames zu tun, stark ausgeprägt. Es wird wohl immer Regionen und Facharztgruppen geben, für die solche Pläne nicht zu realisieren sind. Das Grundproblem hat aber zumindest die SPD erkannt: Durch das gegenwärtige Vergütungssystem der Ärzte besteht ein finanzieller Anreiz, Privatpatienten bevorzugt zu behandeln. Für die gleiche Leistung bekommen Ärzte etwa zweieinhalb Mal soviel wie bei Kassenpatienten.

Also müsste man die Vergütung angleichen, oder?

Wasem: Das ist sicher erstrebenswert. Man darf jedoch nicht vergessen, dass die ärztlichen Honorare im gesetzlichen Kassensystem begrenzt sind, aber im privaten System nicht. Wenn man will, dass die Ärzte unterm Strich genauso viel verdienen sollen wie jetzt, aber die Privaten nicht ein Mehrfaches zahlen, dann führt das zwangsläufig zu einer Mehrbelastung der gesetzlich Versicherten. Beitragserhöhungen wären unvermeidlich.

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