„Das ist die falsche Richtung“

Berlin · Der Wehrbeauftragte des Bundestags hat drastische Kritik an der derzeitigen Ausstattung der Bundeswehr geübt. Es herrsche ein Mangel an allem – Personal und Ausstattung.

Die meisten Verteidigungsminister mussten sich bisher sorgen, wenn der Wehrbeauftragte alljährlich seinen Rechenschaftsbericht veröffentlichte, eine Art Klagemauer der Soldaten über Missstände und Mängel . Doch der neue Amtsinhaber Hans-Peter Bartels entschied sich bei seiner Premiere gestern, die Forderung Ursula von der Leyens (CDU ) nach mehr Geld für die Soldaten zu unterstützen. "Die Bundeswehr ist am Wendepunkt", überschrieb der 54-jährige Sozialdemokrat sein Erstlingswerk und fügte hinzu: "Noch mehr Reduzierung geht nicht." Nach den jetzigen Haushaltsplanungen sinke der Anteil der Wehrausgaben von derzeit 1,16 Prozent des deutschen Bruttosozialprodukts bis 2019 auf 1,07 Prozent. "Das ist die falsche Richtung", sagte Bartels und erinnerte an die Nato-Selbstverpflichtung, zwei Prozent des Erwirtschafteten in die Verteidigung zu investieren. Für Deutschland würde das bedeuten, 70 statt jetzt rund 34,5 Milliarden Euro auszugeben.

In einer Art konzertierter Aktion ließ von der Leyen kurz nach Bartels' Pressekonferenz verlauten, man brauche in den nächsten 15 Jahren insgesamt 130 Milliarden Euro für die Ausrüstung: "Die Verwaltung des Mangels muss beendet werden." Experten schätzen, dass der Wehretat jährlich um sechs Milliarden Euro angehoben werden müsste. SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold signalisierte Unterstützung. "Auftrag, Personalumfang und Gerät sind nicht miteinander in Einklang", sagte er der SZ. "Die Bundeswehr ist natürlich unterfinanziert." Er forderte von der Ministerin aber eine "Priorisierung" der Vorhaben. Kanzlerin Angela Merkel hatte ebenso wie Finanzminister Wolfgang Schäuble (beide CDU ) zu Beginn des Jahres Zustimmung zu höheren Verteidigungsaufgaben erkennen lassen.

Dafür lieferte Bartels gestern weitere Argumente. 4344 Beschwerden wurden von ihm ausgewertet. Ergebnis: Krasse Mängel gibt es schon bei der Ausbildung. Bei einem Gebirgsjägerbataillon etwa waren von 522 geplanten Nachtsichtgeräten nur 96 vorhanden, die aber fast alle an Truppen im Auslandseinsatz ausgeliehen waren. Beim Lufttransportgeschwader 62 fing Bartels die Äußerung auf, dass es ein Glück sei, dass sich die Auslieferung des neuen Transportflugzeuges A400 M verspäte. Denn das Ausbildungsmaterial dafür sei noch immer nicht da. Und in Afghanistan mussten die Piloten des Tiger-Hubschraubers ohne Laserschutzbrillen fliegen - erst im Dezember kamen 60 Stück.

Besonders große Probleme gebe es beim Heer, sagte Bartels. Hier war wegen der nachlassenden Bedrohungslage vor Jahren die Losung ausgegeben worden, dass eine 70-prozentige Ausstattung reiche. Bartels forderte, in allen Bereichen wieder 100 Prozent anzustreben, "vom Panzer bis zur Schutzweste". Auch beim Personal . Seit 1990 wurde die wiedervereinigte deutsche Armee von 600 000 Soldaten auf 185 000 zusammengeschmolzen. Aber selbst die stehen laut Bartels nur auf dem Papier. 177 000 seien real da - und in Teilbereichen heillos überfordert. Der Wehrbeauftragte verwies auf die 8000 Soldaten in der Flüchtlingshilfe und die fast 5000, die im Auslandseinsatz sind.

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HintergrundUnter den tausenden Eingaben an den Wehrbeauftragten kamen nur fünf aus dem Saarland. Die Zahl sei "im Vergleich zu den Vorjahren deutlich rückläufig", sagte gestern Oberstleutnant Thomas Dillschneider, Pressesprecher im Landeskommando Saarland. "Die Eingaben waren überwiegend im verwaltungstechnischen Bereich angesiedelt. Soldaten beklagten sich zum Beispiel über zu lange Bearbeitungszeiten oder nicht rechtzeitig erfolgte Zahlungen sowie Mängel bei der Vereinbarkeit von Dienst und Familie." we

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