"Das Gegeneinander muss aufhören"

Der Bund verspricht für jedes dritte Kind unter drei Jahren einen Krippenplatz. Und ab August 2013 erhalten Eltern sogar einen einklagbaren Rechtsanspruch. Wird das alles funktionieren?Sehrbrock: Der Rechtsanspruch ist noch nicht in Sack und Tüten

Der Bund verspricht für jedes dritte Kind unter drei Jahren einen Krippenplatz. Und ab August 2013 erhalten Eltern sogar einen einklagbaren Rechtsanspruch. Wird das alles funktionieren?Sehrbrock: Der Rechtsanspruch ist noch nicht in Sack und Tüten. Soll es wirklich für jedes dritte Kind einen Krippenplatz geben, müssen bundesweit innerhalb eines Jahres 230 000 Betreuungsplätze geschaffen werden. Außerdem leiden die Kindergärten unter einem massiven Fachkräftemangel. Es fehlen nach Berechnungen des Deutschen Jugendinstituts jährlich mindestens 9000 Erzieher, damit der Ausbau gelingen kann.

Warum läuft der Ausbau so schleppend?

Sehrbrock: Der Bund hat berechnet, dass dafür rund zwölf Milliarden Euro notwendig sind. Mit vier Milliarden beteiligt er sich selbst, den Rest sollen Länder und Kommunen tragen. Seither spielen alle Ebenen "Schwarzer Peter". Die Kommunen klagen, dass die Länder kaum Geld geben. Gleichzeitig monieren Länder und Kommunen, der Anteil des Bundes sei zu gering. Und die Bundesregierung mahnt, die Länder müssten ihrer Verantwortung nachkommen. Dieses Gegeneinander muss aufhören. Wir brauchen schleunigst einen Krippengipfel, bei dem sich Bund, Länder und Kommunen auf einen Plan zur Umsetzung des Rechtsanspruchs einigen.

Es scheitert also an den Finanzen. Wo soll zusätzliches Geld herkommen?

Sehrbrock: Ganz einfach: Der Bund muss auf das geplante Betreuungsgeld verzichten - und die zwei Milliarden, die ab 2013 dafür bereitstehen, in den Krippenausbau investieren. Damit wäre schon viel geholfen.

Das ist derzeit nicht durchsetzbar.

Sehrbrock: Das Betreuungsgeld bleibt aber eine Farce: Erst baut der Staat mit Steuergeldern die frühkindliche Bildung aus - und dann subventioniert er gerade die Eltern mit 150 Euro im Monat, die ihren Kindern diese Betreuungsangebote vorenthalten. Die Länder müssen übrigens auch mehr investieren - in die Ausbildung von Erziehern.

Wäre ein Moratorium für den Rechtsanspruch nicht doch sinnvoll, wie die Städte und Gemeinden fordern?

Sehrbrock: Nein, das wäre genau der falsche Weg. Wenn die Kommunen ab 2013 nicht mehr mit Klagen der Eltern rechnen müssen, würde der Ausbau wohl stagnieren. Die Kommunen haben offenbar noch nicht verstanden, dass das Recht auf einen Krippenplatz ein zentrales Modernisierungsprojekt dieses Jahrzehnts ist. Es ermöglicht jungen Müttern und Vätern überhaupt erst, Beruf und Familie zu vereinbaren. Damit steigen die Arbeitsmarktchancen junger Frauen - gerade auch Alleinerziehender. Und das entlastet unter dem Strich auch die Kommunen. Der Krippenausbau ist auch bildungspolitisch unverzichtbar, denn in dieser Phase wird der Grundstein für den Bildungserfolg der Kinder gelegt.Foto: dgb

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