Damoklesschwert über Europa

London · Eine Mehrheit der Briten würde beim Referendum für den Verbleib in der EU stimmen, auch wenn viele den sich abzeichnenden Deal mit den anderen Mitgliedstaaten kritisch sehen. Er gehe nicht weit genug, heißt es.

Der britische Premierminister David Cameron reist derzeit durch Europa und versucht, die anderen Mitgliedstaaten von seinen Reformplänen zu überzeugen. Er will einen Deal mit der EU, so schnell wie möglich, denn mit der Spannung steigt der innenpolitische Druck. Die britischen Europaskeptiker wollen aus der Gemeinschaft austreten, ganz egal, mit welchen Zugeständnissen Cameron auf die Insel zurückkehrt. Der Premier will seine Landsleute möglicherweise schon im Juni dieses Jahres, spätestens aber Ende 2017, in einem Referendum über den Verbleib Großbritanniens in der EU abstimmen lassen. Davor aber will er einen besseren Deal mit der EU erreichen, um dann im Königreich für ein "Yes" zu werben. Noch führt das Lager der Europafreunde. 49 Prozent der Briten würden einer aktuellen Umfrage zufolge für einen Verbleib votieren, 41 Prozent wollen raus. Doch der Abstand wird geringer, trotz des Anfang Februar unterbreiteten Kompromissvorschlags von EU-Ratspräsident Donald Tusk . Oder deshalb?

Die Verhandlungen um die Forderungen aus London sollen beim Gipfel der europäischen Staats- und Regierungschefs heute abgeschlossen werden. Doch während die britische Bevölkerung das Thema Einwanderung als das dringendste Problem ansieht, gibt es insbesondere bei diesem Punkt Schwierigkeiten mit den anderen Mitgliedsländern. So will London Sozialleistungen für EU-Einwanderer, die auf der Insel arbeiten und Steuern zahlen, in den ersten vier Jahren nach ihrer Ankunft streichen können mit Hilfe einer "Notbremse". Dieser Plan trifft vor allem in Osteuropa auf Widerstand, woher die meisten Migranten stammen. Ein weiteres Streitthema ist der Wunsch nach einem stärkeren Mitspracherecht bei Beschlüssen der Euro-Länder, die sich auf Nicht-Euro-Länder auswirken. London will also künftig mitreden, Paris zum Beispiel will das nicht.

Westminster nutzt das Referendum als Druckmittel, es hängt wie ein Damoklesschwert über Europa. Tusk warnte denn jetzt auch vor einem Auseinanderbrechen der EU, sollte es zu einem Brexit kommen. Die Gefahr sei "real". "Was einmal zerbrochen ist, kann nicht mehr gekittet werden", so Tusk.

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