China ist "grausamer Weltmeister"

Berlin. Wo Weihan wurde 60 Jahre alt. Der chinesische Biochemiker wurde in den Morgenstunden des 28. November 2008 in Peking hingerichtet. Erschossen, weil er "Staatsgeheimnisse" an Taiwan verraten haben soll. Unter anderem soll Wo Weihan Informationen über den Gesundheitszustand von chinesischen Spitzenfunktionären weitergereicht haben

Berlin. Wo Weihan wurde 60 Jahre alt. Der chinesische Biochemiker wurde in den Morgenstunden des 28. November 2008 in Peking hingerichtet. Erschossen, weil er "Staatsgeheimnisse" an Taiwan verraten haben soll. Unter anderem soll Wo Weihan Informationen über den Gesundheitszustand von chinesischen Spitzenfunktionären weitergereicht haben.

Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Amnesty International wurden 2008 in China mindestens 1718 Menschen hingerichtet. Damit vollstreckte die Volksrepublik wieder mehr Todesurteile als jeder andere Staat der Welt. Die Hoffnung, dass die Vergabe der Olympischen Sommerspiele 2008 an Peking etwas daran ändern könnte, erfüllte sich nicht. Im Gegenteil: Dem Amnesty-Bericht zufolge verdreifachte sich die Zahl der Hinrichtungen im Olympiajahr sogar (2007: mindestens 470). Damit trägt China auch die Verantwortung dafür, dass sich die Zahl der weltweit registrierten Hinrichtungen 2008 fast verdoppelte - von mindestens 1252 auf mindestens 2390. China, so Amnesty, sei auch im Olympiajahr "grausamer Weltmeister" der Todesstrafe geblieben.

Auf China folgen in der Statistik der Iran (mindestens 346 Exekutionen), Saudi-Arabien (mindestens 102), Pakistan (mindestens 36) und die USA (37). Als einziges Land in Europa ließ Weißrussland vier Menschen töten. Demgegenüber ist in insgesamt 138 Staaten die Todesstrafe abgeschafft oder wird in der Praxis nicht mehr vollstreckt. Vergangenes Jahr kamen Argentinien und Usbekistan hinzu.

Die letzte Wahrheit ist die Todesstrafen-Statistik von Amnesty International allerdings nicht - gerade was China betrifft. "Die tatsächliche Zahl der Hinrichtungen liegt dort vermutlich um ein Vielfaches höher", sagt Amnesty-Experte Oliver Hendrich. Bis zu 10 000 Hinrichtungen pro Jahr sollen es sein. Dass ausgerechnet im Olympiajahr wieder deutlich mehr Exekutionen bekanntwurden, verwundert auch Experten. "Möglicherweise hängt der Anstieg damit zusammen, dass vor der Olympiade aus Rücksicht auf die internationale Meinung weniger hingerichtet wurde", sagt Hendrich.

Der Menschenrechts-Experte der Grünen-Bundestagsfraktion, Volker Beck, ist vom Anstieg ebenfalls überrascht. "Das sollte allen Sportfunktionären eine Lehre sein, dass man ohne konkrete Vereinbarungen keine Veranstaltungen an totalitäre Regimes geben sollte." Und die Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion für Menschenrechte, Erika Steinbach, sieht "alle Lippenbekenntnisse von Chinas Funktionären, die Menschenrechtslage im Zuge der Olympischen Spiele verbessern zu wollen, auf erschütternde Weise widerlegt". dpa

"Die tatsächliche Zahl der Hinrichtungen liegt um ein Vielfaches höher."

Amnesty-Experte Oliver Hendrich

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