China berauscht sich an seiner Armee

Peking · Nie zuvor hat China das Ende des Zweiten Weltkrieges mit einer Militärparade gefeiert. Nie zuvor gab es in Peking eine derart gigantische Waffenschau. Es ist eine Demonstration der Macht im Reich der Mitte.

Xi Jinping schwitzt wie jeder andere, der bei 30 Grad in einem dunklen Mao-Anzug eine Stunde lang in der prallen Sonne stehen muss. Er regt jedoch keinen Gesichtsmuskel, gibt sich unnahbar, fast etwas unbeteiligt. Und doch konzentrieren sich 12 000 Elite-Soldaten und 40 000 Zuschauer auf diesen Mann: den Oberbefehlshaber der Volksbefreiungsarmee. Auf sein zackig gesprochenes Wort hin setzt sich eine Parade aller Truppengattungen in Bewegung - zur Inspektion durch Xi hier am Platz des Himmlischen Friedens in Peking .

Bei der Militärparade zum Ende des Zweiten Weltkriegs präsentiert sich China als unangreifbare Großmacht. Die Volksbefreiungsarmee zeigt lange Reihen von nuklear bestückten Interkontinentalraketen , die Ziele überall auf der Welt erreichen können, außerdem Drohnen, Raketenabwehreinheiten und Kampfjets der neuesten Generation. Staatliche Kommentatoren betonten, dass Demütigungen wie seinerzeit die Wehrlosigkeit gegenüber dem Angreifer Japan heute unmöglich seien. In einer Rede setzte Xi jedoch den Schwerpunkt beim Thema Frieden. "China bleibt der friedlichen Entwicklung verpflichtet. Wir Chinesen lieben den Frieden", sagte Xi. Er kündigte bei auch an, die Truppe um 300 000 Mann auf zwei Millionen Soldaten zu verkleinern.

Hinter der Verkleinerung steckt jedoch eine Stärkung. Statt Millionen von Soldaten mittelmäßig auszurüsten und auszubilden, sollen hochgradig bewegliche Einheiten auf Weltstandard entstehen. Xi setzt damit einen Trend von Militärreformen fort, der auf punktuelle Schlagkraft statt große Zahlen setzt. China hat zudem auch nach der Verkleinerung das größte Heer der Welt. "Die Rüstungsausgaben werden weiterhin schnell ansteigen", sagt Analyst Paul Burton von dem Forschungshaus IHS. In diesem Jahrzehnt werde sich das Verteidigungsbudget glatt verdoppeln. Die Qualität der Ausrüstung steige im Gleichschritt an.

Die bedrohlichste Neuerung ist eine Rakete vom Typ Ostwind-21D, die Schiffe aus großer Entfernung treffen kann, ebenso wie die etwas größere Ostwind-26, die sogar Atomsprengköpfe tragen soll. China hat damit nun die Mittel, amerikanische Flugzeugträger zu versenken, bevor sie sich Chinas Küsten auch nur nähern können.

Eine der wichtigsten Optionen der Amerikaner ist damit potenziell ausgeschaltet. Rüstungsexperten zufolge hat sich China damit in der Kategorie der Anti-Schiffs-Waffen an die Weltspitze gesetzt. Xi ließ auch ein ganzes Aufgebot von Interkontinentalraketen zeigen, darunter das besonders große Modell Ostwind-5B, das seine eine tödliche Last von bis zu drei Tonnen Gewicht bis nach Washington tragen kann.

Meinung:

Friedensgrüße aus Peking ?

Von SZ-MitarbeiterFinn Mayer-Kuckuk

Sieht so eine Friedensbotschaft aus? Die chinesische Führung präsentiert Soldaten im Stechschritt, mächtige Atomraketen und Schützenpanzer im Namen der Völkerfreundschaft. Präsident Xi Jinping sprach von Frieden, wollte mit der ersten Militärparade unter seiner Herrschaft vor allem eine Botschaft senden: China ist stark und fürchtet sich vor niemandem. Doch Xi verändert damit die außenpolitische Grundhaltung Chinas. Frühere Staatschefs fühlten sich dem Gedanken verpflichtet, dass China seine Macht verstecken muss, um sich ungestört entwickeln zu können. Xi setzt stattdessen auf Stärke. China soll in Asien dominieren.

Die Militärparade ist daher das Gegenteil der Friedensbotschaft, die Xi auf verbaler Ebene ausdrückt. China löst damit einen Rüstungswettlauf aus. Von den zwei Signalen der patriotischen Parade - dem Wunsch nach Frieden und der Anregung zur Aufrüstung - wird das zweite den konkreteren Effekt haben.

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