Neue Mutation des Coronavirus Wie Europa Großbritannien isoliert

London/Brüssel · Wegen einer neuen Corona-Mutation in Großbritannien wurden Flüge, Autoverkehr und Züge ins Königreich gestoppt. Auf der Insel herrschte absolutes Chaos.

 Europa macht dicht: Wegen einer in Großbritannien entdeckten Variante des Coronavirus ist die Insel inzwischen weitgehend abgeschnitten. Hier bewachen Sicherheitskräfte den Eingang zum Fährterminal im Hafen von Dover. Es herrschen riesige Staus (Foto links). Das rechte Foto zeigt Passagiere am Eurostar-Terminal am Bahnhof Paris-Nord. Sie warten wohl vergeblich auf einen Zug nach Großbritannien.

Europa macht dicht: Wegen einer in Großbritannien entdeckten Variante des Coronavirus ist die Insel inzwischen weitgehend abgeschnitten. Hier bewachen Sicherheitskräfte den Eingang zum Fährterminal im Hafen von Dover. Es herrschen riesige Staus (Foto links). Das rechte Foto zeigt Passagiere am Eurostar-Terminal am Bahnhof Paris-Nord. Sie warten wohl vergeblich auf einen Zug nach Großbritannien.

Foto: dpa/Kirsty Wigglesworth

Die europäischen Staaten haben Großbritannien am Montag weitgehend isoliert. Nachdem bereits am Wochenende erste Mitgliedstaaten – darunter auch Deutschland – wegen einer neuen Corona-Mutation alle Flugverbindungen vom Vereinigten Königreich auf den Kontinent untersagt hatten, folgten am Montag etliche weitere Länder. Wenige Tage vor Weihnachten ist die Insel damit faktisch nicht mehr erreichbar, weil auch alle Fähr-Verbindungen sowie die Eurostar-Züge gestoppt wurden.

Der Versuch, wenigstens etwas Ordnung in das hektische Chaos nach der Entdeckung der neuen Coronavirus-Variante zu bringen, scheiterte am gestrigen Nachmittag. Die Mitgliedstaaten wollten sich eigentlich auf europäischer Ebene abstimmen, mit welchen Maßnahmen sie reagieren und wie lange diese dauern sollen. Deutschland hat Flüge aus Großbritannien zunächst bis zum 31. Dezember untersagt. Andere Staaten wollen sogar bis zum 6. Januar die Einreise aus dem Vereinigten Königreich aussetzen. Doch eine Videokonferenz der 27 Regierungen blieb ohne Ergebnis. Stattdessen wurde die Brüsseler EU-Kommission beauftragt, Leitlinien auszuarbeiten und diese noch „deutlich vor Weihnachten“ zur Abstimmung vorzulegen.

Am Montag gab es zwar noch Flugverkehr von London und anderen britischen Städten auf den Kontinent. Die Lufthansa brachte beispielsweise Briten nach Hause, flog aber leer wieder nach Deutschland zurück. Der Luftfrachtverkehr sei vorerst nicht von Sperrungen betroffen, hieß es in Brüssel.

Im Königreich herrschte am Montag das absolute Chaos. Kilometerweit stauten sich Lastwagen in der Grafschaft Kent auf ihrem Weg zur Ärmelkanalüberquerung, sie parkten auf dem Seitenstreifen wie auch auf der Autobahn, weil Frankreich die Grenzen für Fähren, Züge und Flugzeuge dichtgemacht hatte. Der Hafen Dover und der Eurotunnel stellten daraufhin den Betrieb ein. Es handelte sich um das erste Mal seit dem Zweiten Weltkrieg, dass die wichtigste Verbindung der Insel mit dem europäischen Kontinent – sie macht 20 Prozent des Warenverkehrs aus – unterbrochen war. Die Situation wurde als „katastrophal“ beschrieben. Die britische Supermarkt-Kette Sainsbury’s warnte vor Lieferengpässen, sollte der Frachtverkehr weiterhin unterbrochen sein. Etliche Spediteure auf dem Kontinent nämlich stoppten ihre Fahrer auf dem Weg nach Großbritannien aus Sorge, am Ende nicht mehr zurückkehren zu können. „Wenn sich nichts ändert, werden in den kommenden Tagen Kopfsalat, einige Blattgemüse, Blumenkohl, Brokkoli und Zitrusfrüchte in den Regalen fehlen“, hieß es von Sainsbury’s. Verkehrsminister Grant Shapps mühte sich sichtlich in Interviews auf allen Nachrichtenkanälen, die Bürger zu versichern und von Panikkäufen abzuhalten.

Das Pfund stürzte derweil ab. Auch am Flughafen Heathrow herrschten tumultartige Szenen, nachdem beinahe sämtliche Staaten einen coronabedingten Einreisestopp für Reisende aus Großbritannien verhängten und tausende Passagiere in letzter Minute versuchten, das Land zu verlassen. Selbst die Republik Irland machte ihre Grenzen dicht.

21.12.2020, Frankreich, Paris: Passagiere, die als vorbeugende Maßnahme gegen die Verbreitung des Coronavirus Mund-Nasen-Bedeckungen tragen, warten neben dem Eurostar-Terminal am Bahnhof Paris-Nord (französisch Paris Gare du Nord). Wegen der rasanten Ausbreitung der in Großbritannien entdeckten Variante des Coronavirus hat neben anderen Staaten Frankreich die Grenzen zum Vereinigten Königreich geschlossen.  Einige Länder haben die Verkehrsverbindungen nach Großbritannien unterbrochen. So soll die Verbreitung des veränderten Coronavirus verhindert werden. Foto: Lewis Joly/AP/dpa - ACHTUNG: Dieses Foto hat dpa bereits im Bildfunk gesendet - Honorarfrei nur für Bezieher des Dienstes dpa-Nachrichten für Kinder +++ dpa-Nachrichten für Kinder +++

21.12.2020, Frankreich, Paris: Passagiere, die als vorbeugende Maßnahme gegen die Verbreitung des Coronavirus Mund-Nasen-Bedeckungen tragen, warten neben dem Eurostar-Terminal am Bahnhof Paris-Nord (französisch Paris Gare du Nord). Wegen der rasanten Ausbreitung der in Großbritannien entdeckten Variante des Coronavirus hat neben anderen Staaten Frankreich die Grenzen zum Vereinigten Königreich geschlossen. Einige Länder haben die Verkehrsverbindungen nach Großbritannien unterbrochen. So soll die Verbreitung des veränderten Coronavirus verhindert werden. Foto: Lewis Joly/AP/dpa - ACHTUNG: Dieses Foto hat dpa bereits im Bildfunk gesendet - Honorarfrei nur für Bezieher des Dienstes dpa-Nachrichten für Kinder +++ dpa-Nachrichten für Kinder +++

Foto: dpa/Lewis Joly

Die innerbritische Grenze zwischen England und Schottland ist ebenfalls geschlossen. „Der Virus ist außer Kontrolle, dies ist jetzt ein echter Notfall“, sagte der Oppositionsführer von Labour, Keir Starmer. Für Verwunderung sorgte bei Beobachtern die Aussage von Shapps, dass die Maßnahmen der Franzosen, den Ärmelkanal zu blockieren, die britische Regierung „ziemlich überraschend“ getroffen habe. Gab es keine Absprache im Vorfeld mit den europäischen Partnern? Danach sah es gestern nicht aus.

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