Erwartet Annegret Kramp-Karrenbauer ein „Putsch“? Schicksalstage für die CDU-Chefin

Berlin · Erwartet Annegret Kramp-Karrenbauer ein „Putsch“ oder belässt es Herausforderer Friedrich Merz bei Kritik? Der Parteitag der Christdemokraten ab diesem Freitag in Leipzig birgt Risiken.

 Die Kanzlerfrage schwebt über ihr wie ein Damoklesschwert: Die CDU-Parteivorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer muss an diesem Wochenende in Leipzig überzeugen.

Die Kanzlerfrage schwebt über ihr wie ein Damoklesschwert: Die CDU-Parteivorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer muss an diesem Wochenende in Leipzig überzeugen.

Foto: dpa/Foto: dpa, Grafik: SZ

Wenn Annegret Kramp-Karrenbauer an diesem Freitag gegen 12 Uhr in Leipzig aufs Parteitagspodium tritt, muss sie kämpfen. Es wird die wohl wichtigste Rede sein, seit AKK vor knapp einem Jahr in Hamburg Nachfolgerin von Angela Merkel als CDU-Chefin wurde. Denn unter den 1001 Delegierten sitzen viele, die angesichts von Fehlern, miesen Beliebtheitswerten und mauen CDU-Umfragezahlen Zweifel haben, ob die Saarländerin kann, was sie will: Kanzlerin. Doch traut sich die für Geschlossenheit bekannte CDU tatsächlich die Revolte zu? Planen die „Friends of Friedrich“ Merz die Meuterei? Und vor allem: Was will der Ex-Unionsfraktionschef selbst?

Jüngst hat Merz einiges dafür getan, die Führungsdebatte zu befeuern – und sich dann wieder bemüht, Putschgerüchte zu zerstreuen. Nach dem historisch schlechten CDU-Ergebnis in Thüringen Ende Oktober fährt Merz einen Generalangriff auf Angela Merkel, gibt nebenbei auch AKK einen mit. Wie ein Nebelteppich liege die Untätigkeit der Kanzlerin seit Jahren über dem Land. Das gesamte Erscheinungsbild der Bundesregierung sei „grottenschlecht“.

Selbst im Kreis seiner Unterstützer geht das manchen zu weit. Anfang November sagt Merz nach einer Umfrage, die ihm beste Chancen im Falle einer Kanzlerkandidatur bescheinigt, zwar stehe die Frage nicht an, er fühle sich aber „ermutigt“.

Vor ein paar Tagen sichert der 64-Jährige dann Kramp-Karrenbauer demonstrativ Unterstützung zu. In Leipzig stünden keine Personaldebatten an, die Kandidatenfrage für die Bundestagswahl 2021 müsse im kommenden Jahr geklärt werden. Und wenn er sich mal kritisch äußere, sei das kein Putschversuch. Unterstützer sind konsterniert: Merz wolle AKK gar nicht stürzen, fragt man sich dort fast enttäuscht. Zaudert der Sauerländer wieder? Er sei kein Revolutionär, sagen andere, die ihn schon lange kennen.

Doch AKK dürfte nicht entgangen sein, dass sich das Murren nicht gelegt hat. Sie wisse, dass sie am Freitag eine Rede halten müsse, die mindestens so gut wie in Hamburg vor einem Jahr sei – eher noch viel besser.

Merz wird sich zu Wort melden – offen ist, wie die Delegierten auf seine Worte reagieren. Man wird genau darauf achten, wer den lauteren und den längeren Applaus erhält.

Steht am Ende vielleicht sogar ein Delegierter auf und fordert, die Kanzlerkandidatur sofort zu entscheiden? Abgesehen davon, dass sie in der Parteispitze davon ausgehen, dass solch ein Überraschungsvorstoß vom CDU-Statut nicht gedeckt ist. Stichwort: Überrumpelungsverbot. Ob Merz das überhaupt gelegen käme? Auch er dürfte wissen, dass kein Kandidat die lange Strecke bis zur Wahl 2021 unbeschadet überstehen kann.

Selbst wenn der Showdown ausbleibt: In der Antragsberatung am Freitagabend und Samstag werden die Delegierten genügend Gelegenheit haben, ihrem Unmut Luft zu machen.

So plädiert die von Generalsekretär Paul Ziemiak geführte Antragskommission dafür, einen JU-Antrag auf Urwahl zur Kanzlerkandidatur, der einem Misstrauensvotum gegen Kramp-Karrenbauer gleich käme, zusammen mit anderen ähnlichen Anträgen abzulehnen. Lediglich ein Antrag des Kreisverbands Ravensburg für mehr Mitgliederbeteiligung soll in eine Kommission überwiesen werden. Er sieht eine stärkere Mitgliedereinbindung bei zentralen Personalentscheidungen vor. Auch andere Punkte sind noch strittig.

Selbst wenn in Leipzig die Revolte gegen Kramp-Karrenbauer ausbleibt – entschieden ist der Machtkampf noch lange nicht. Sollte die SPD im Dezember oder später aus der Koalition aussteigen, wird die Debatte über die Kanzlerkandidatur erneut ausbrechen. Bleiben die Sozialdemokraten an Bord, fürchten etliche in der Parteispitze, dass die CDU deren Fehler nachmacht – und sich bis zur Entscheidung über die Kanzlerkandidatur beim nächsten Parteitag ebenfalls zerlegt.

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