Camerons wundersame Wandlung

Brüssel. David Cameron dürfte über seine Wandlung wohl am meisten überrascht gewesen sein. Noch am Donnerstag hatte sich der britische Premier mit seinen Tiraden gegen den Entwurf des EU-Finanzrahmens zum Feindbild der übrigen 26 Staats- und Regierungschefs gemacht. Am Freitag dann liefen die bisherigen Gegner scharenweise zu ihm über

Brüssel. David Cameron dürfte über seine Wandlung wohl am meisten überrascht gewesen sein. Noch am Donnerstag hatte sich der britische Premier mit seinen Tiraden gegen den Entwurf des EU-Finanzrahmens zum Feindbild der übrigen 26 Staats- und Regierungschefs gemacht. Am Freitag dann liefen die bisherigen Gegner scharenweise zu ihm über. "Ich werde nicht zulassen, dass Cameron zum Buh-Mann gemacht wird", betonte ein bedeutendes Schwergewicht dieser Chef-Runde. Da lag das Scheitern dieses Gipfels über die Finanzen 2014 bis 2020 schon in der Luft.

Harte Zeiten für die EU-Spitze

Aber die Gewichte hatten sich massiv verschoben. Nicht mehr der störrische Brite galt als Gegner der EU-Chefs, sondern Ratspräsident Herman Van Rompuy, der anstatt eines großen Kompromissvorschlages nur mit ein paar "Fummeleien" (Cameron) versucht hatte, das Desaster abzuwenden. 13 Milliarden wollte er noch schnell aus dem Forschungsetat herausoperieren, um damit die Landwirte und Regionen zu bescheren. Aber die Fronten konnte er nicht mehr aufbrechen: Die EU-Mitgliedstaaten standen gegen ihre Führungsmannschaft in Brüssel. Selbst Merkel-Berater nannten die Nachbesserung "unbrauchbar" und fanden stattdessen Sympathie an dem Vorstoß Camerons, mit dem er radikale Einschnitte bei der EU-Verwaltung forderte. "Es kann nicht sein, dass da gar nicht gespart wird", hieß es aus deutschen Verhandlungskreisen. "Wir können Cameron doch nicht nach Hause fahren lassen, wo der dann überall rumerzählt, dass 200 EU-Beamte mehr verdienen als er." Erfreut machten die Londoner Unterhändler daraufhin bei der deutschen Kanzlerin Angela Merkel "Sympathien für die britische Position" aus.

Tatsächlich muss sich die EU-Führung um Van Rompuy und Kommissionspräsident José Manuel Barroso auf einiges gefasst machen, wenn sie jetzt über einen neuen Vorschlag für den Etat der Jahre 2014 bis 2020 nachdenkt. Mehr als eine Billion Euro sind nicht durchsetzbar. Den Netto-Zahlern (also den Ländern, die wie Deutschland mehr nach Brüssel überweisen als sie zurückbekommen) sind die Zuwachsraten zu hoch, auch wenn Van Rompuy mit 1,01 Prozent des Bruttoinlandsproduktes der Mitgliedstaaten fast genauso viel Geld wie bisher haben wollte. Die Netto-Empfänger drängen dagegen auf höhere Zuwendungen, um sich schneller an das Niveau der starken Mitglieder annähern zu können.

Deutschland zahlt ein Fünftel

Wie auch immer man sich einigt, Deutschland wird ein Fünftel des Gesamtetats tragen. Wirtschaftskraft hat eben auch ihre negativen Seiten. Vor allem die Geber-Länder blockieren bisher jedes Zahlenwerk, das nur annähernd auf gleicher Höhe liegt wie der Finanzrahmen der ablaufenden Periode. Sie wollen Einsparungen. Und sie drängen darauf, dass die Mittel des Strukturfonds, der alleine um die 350 Milliarden Euro umfassen dürfte, künftig besser eingesetzt werden. "Es kann ja nicht sein, dass der Süden Europas seit Jahren mit Milliarden überschwemmt wird, aber jetzt unter Problemen der Wirtschaftsstruktur leidet", erklärte ein Mitglied der Gipfelrunde.

Die folgte am Ende dann doch wieder einmal der deutschen Kanzlerin, die ja schon am Tag zuvor die Devise ausgegeben hatte, man werde "eine zweite Etappe brauchen". So konnte man diesem Treffen dann das Etikett "gescheitert" ersparen und erklärte es kurzerhand zur "erste Stufe auf dem Weg zu einer Einigung". Fortsetzung folgt im Januar oder Februar.

Meinung

Zum Glück gescheitert

Von SZ-KorrespondentDetlef Drewes

Der EU-Finanzgipfel ist zum Glück gescheitert. Politisch mag das ein Desaster sein, in der Sache jedoch tut die Vertagung gut. Den 27 Mitgliedstaaten fehlte schlicht das Verständnis füreinander, um die großen Gegensätze zu überbrücken. Dabei geht es gar nicht so sehr um Milliardenbeträge, die man aus einem Topf nimmt und in den anderen hineinwirft. Da hat Londons Premier David Cameron völlig recht. Den Nehmer-Staaten fehlt das Gespür für die wachsende Not der Geber, die sich zuhause dafür rechtfertigen müssen, Europa Finanzmittel zu überlassen, die im eigenen Land fehlen. Das wäre anders, wenn die Infrastruktur-Milliarden in den zurückliegenden Jahren erkennbar sinnvoll ausgegeben worden wären. Aber was haben Spanien, Griechenland, Portugal und Italien denn mit all den Subventionen gemacht? Die Wirtschaft wurde jedenfalls nicht angekurbelt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort