Cameron setzt auf Beständigkeit

London · Nach dem klaren Wahlsieg bestätigt Premierminister David Cameron seine wichtigsten Minister im Amt. An den Positionen, die für die Verhandlungen mit der EU entscheidend sind, sitzen Europa-Skeptiker.

Europa ist zurück im Königreich. Während die EU-Politik in den vergangenen Wochen fast vollständig aus dem britischen Wahlkampf verschwunden war, rückte die Beziehung Großbritanniens zu Brüssel nach dem Triumph der konservativen Tories nun wieder in den Fokus der politischen Debatte.

Premierminister David Cameron will mit einer absoluten Mehrheit im Rücken das Verhältnis zur EU neu definieren und hat seine Chefunterhändler bereits kurz nach dem Wahlsieg benannt. Er bestätigte Philip Hammond als Außenminister und George Osborne als Finanzminister. Beide werden in den angekündigten Verhandlungen über EU-Reformen eine wichtige Rolle spielen. Cameron, der sein Land in der Union halten will, möchte die Briten dann in einem Referendum über die Mitgliedschaft abstimmen lassen.

Doch was der Premier genau fordert, ließ er bislang weitgehend offen. Beim europaskeptischen Parteiflügel, der durch die Wahl an Einfluss gewonnen hat, steht beispielsweise das Thema EU-Einwanderung hoch oben auf der Agenda. Die Diskussion um einen "Sozialtourismus" wurde auf der Insel so schrill geführt wie in kaum einem anderen Land. Cameron will deshalb den Zugang von EU-Bürgern zu Sozialleistungen erschweren.

Ob er so die Rechtsausleger seiner Tories besänftigen kann, bezweifeln viele. "Egal, womit Cameron aus Brüssel zurückkommen wird, es wird nicht gut genug sein", befürchtet Simon Hix, Professor an der London School of Economics (LSE). Da kann es als kluger Schachzug bewertet werden, dass sowohl Außenminister Hammond als auch Schatzkanzler Osborne den europaskeptischen Flügel vertreten und damit zu einem Konsens beitragen könnten. Die Idee sei, "George und Phil in einen Flieger nach Berlin zu schicken, damit sie ein sehr direktes Gespräch mit Angela Merkels Leuten darüber führen, welcher Deal möglich ist", zitierte die "Sunday Times" Regierungskreise.

Hammond gilt als politisch stramm konservativ und seine Ernennung zum Außenminister im vergangenen Sommer wurde als starkes Signal an die EU-Partnerstaaten gedeutet. So hatte er in der Vergangenheit erklärt, er würde für einen Austritt Großbritanniens stimmen, sollte es Cameron nicht gelingen, bessere Bedingungen für das Königreich auszuhandeln. Noch immer gehört er nicht gerade zu den glühenden EU-Befürwortern, doch inzwischen scheint Hammond seinen Blick auf Brüssel etwas entschärft zu haben.

Auch mit seinen anderen Personalentscheidungen setzt Cameron auf Kontinuität. So bleiben die Innenministerin Theresa May und Verteidigungsminister Michael Fallon im Amt. Der ehemalige Bildungsminister Michael Gove, der sich durch radikale Reformen mit der Lehrerschaft angelegt hatte, wurde vergangenen Sommer abgesetzt. Künftig sitzt er als Justizminister wieder in der ersten Reihe.

Meinung:

Eine Chance für Brüssel

Von SZ-Korrespondentin Katrin Pribyl

Der neue alte Premierminister David Cameron hat nach seinem Wahlsieg Europa zu einem der Hauptthemen seiner zweiten Amtszeit erklärt. Er scheint das Thema so schnell wie möglich angehen zu wollen, um sich aus dem Würgegriff seines mächtigen europaskeptischen Parteiflügels zu befreien. Bereits die wenigen Tage nach dem konservativen Wahlsieg haben angedeutet, welche Unruhe der EU bevorsteht. Es ist zu hoffen, dass sie produktiv ist. Brüssel sollte sich nicht auf eine weitere Runde Rosinenpickerei von Seiten Großbritanniens einlassen, aber die Reformforderungen aus London als Chance begreifen, für eine bessere Union zu kämpfen und an sich zu arbeiten. Das Schreckgespenst Brexit könnte dann von allein verschwinden.

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