Bye, bye, Mr. Cool

Es riecht nach Salz vom Meer, schattige Wege unter ausladenden Bäumen führen zu weiß getünchten Gebäuden. Dekorative Palmen dürfen nicht fehlen, der Blick geht auf grüne Hügel, die das nahe Manoa Valley säumen. Es dürfte nicht viele Schulen geben, die es mit dem Postkartenidyll der Punahou School aufnehmen könnten. Der prestigeträchtigsten Privatschule Hawaiis. Ein Paradies, die Atmosphäre so friedlich, wie die Flora ringsum üppig ist. Barack Obama hat einst hier gelernt.

 Barack Obama als Harvard-Student, damals schon cool. Foto: dpa

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Vielleicht muss man wirklich nach Honolulu fliegen, um Obama zu verstehen. Um zu begreifen, warum er als Präsident so unaufgeregt wirkte, das Kontrastprogramm zu seinem Nachfolger Donald Trump , dem polternden Milliardär und Wutbürger. Dass er so gelassen sei, hat er dieser Tage dem Magazin "National Geographic" erklärt, habe auch mit dem Ort seiner Geburt zu tun. "Die Leute fragen mich immer, wie ich so ruhig bleiben kann, wenn um uns herum so viel Verrücktes passiert." Nun, er stamme aus Hawaii, wo man jederzeit in den Ozean springen könne und das Leben in ziemlich harmonischen Bahnen verlaufe. Die Stadt Honolulu liegt mitten im Pazifik, Tokio ist näher als New York. Wer aus Hawaii kommend eine Karriere in Festlandsamerika anstrebt, muss sich dort wohl für lange Zeit wie ein Exot fühlen.

Denn gelassen ist nichts am amerikanischen Diskurs. Es dürfte unter den Demokratien des Westens keine andere geben, in der es verbal derart zur Sache geht, häufig nicht nur hemdsärmelig direkt, sondern regelrecht schroff. So gesehen wirkt "No-Drama Obama", wie seine Berater ihn nennen, bisweilen noch immer, als fremdele er mit dem Politikbetrieb Washingtons. Als wäre er ein neugieriger Beobachter, der von außen auf sein Land schaut und sich manchmal nur wundern kann, weil rationale Lösungsansätze ein ums andere Mal übertönt werden vom Lärm politischer Profilierungsgefechte.

Der Satz, mit dem er 2004 auf dem Parteitag der Demokraten in Boston auf der großen Bühne der Politik erschien, ist zwar unendlich oft zitiert worden, doch beim Versuch, eine Bilanz der Obama-Jahre zu ziehen, führt kein Weg an ihm vorbei. "Ein liberales Amerika und ein konservatives Amerika gibt es nicht, es gibt die Vereinigten Staaten von Amerika. Ein schwarzes Amerika und ein weißes Amerika, ein Amerika der Latinos und ein asiatisches Amerika gibt es nicht, es gibt die Vereinigten Staaten von Amerika." Es war sein Credo, nichts daran war gekünstelt.

Als Obama im Februar vor zehn Jahren an den Start des Kandidatenrennens ging, sprach der aufstrebende Senator in Springfield, Illinois, von Abraham Lincoln , der 1858 an gleicher Stelle mit Worten für die Geschichtsbücher die Sklaverei verdammt hatte.

Mit brillanten Reden weckte Obama die Erwartung, mit ihm würde ein zweiter Lincoln im Weißen Haus einziehen, zumindest ein zweiter John F. Kennedy. Oder eine Art Ronald Reagan der Linken, der die Gesellschaft umkrempeln würde, wie Reagan es in den 1980er Jahren tat. Nur eben in die andere Richtung. Er wolle ein transformativer Präsident sein, sagte Obama damals. Die Euphorie, die er damit links von der Mitte auslöste, beruhte indes auf einem Missverständnis.

Wähler, die im November 2008 geglaubt hatten, sie delegierten einen kühnen Reformer in die Machtzentrale, sahen sich bald eines Besseren belehrt. So inspirierend Obama am Rednerpult wirkte, im Regierungsalltag entpuppte er sich als Pragmatiker der kleinen Schritte. Überaus gründlich abwägend, handelte er mit der Vorsicht des Rechtsgelehrten, der er mit dem Studium in Harvard geworden war.

Obama überließ es Bankern der Wall Street, nach der Finanzkrise neue Regeln aufzustellen. Das Gefangenenlager Guantánamo, das er binnen eines Jahres zu schließen versprach, wurde auch deshalb nicht geschlossen, weil der Präsident nur halbherzig dafür kämpfte. Die Gesundheitsreform, die er 2010 im Kongress durchsetzte, entsprang einem Kompromiss mit den Versicherungskonzernen, und am Ende stellte sie keinen zufrieden.

Warum er nicht entschlossener eintrat für seine Agenda? Man dürfe den kulturellen Kontext nicht vergessen, gibt Nell Painter zu bedenken, Historikerin in Princeton. Die weißen Mittelschichten seien ihm, dem schwarzen Mann im Weißen Haus, mit latentem Misstrauen begegnet. "Er musste zunächst mal beweisen, dass er kein Kommunist war", spitzt Painter zu. Vielleicht habe er sich deshalb nicht getraut, manches von dem in Angriff zu nehmen, was er im Wahlkampf angekündigt hatte.

Und doch. Ohne Obamacare, die Gesundheitsreform, wären noch immer rund 20 Millionen Amerikaner, die mittlerweile krankenversichert sind, ohne jeglichen Schutz. Ohne das Konjunkturpaket des Februars 2009 hätte sich womöglich die Große Depression der 1930er Jahre wiederholt. Ohne die liberale, tolerante Haltung des "Regenbogenpräsidenten" hätte es länger gedauert, bis der Oberste Gerichtshof in Washington die gleichgeschlechtliche Ehe legalisierte.

In Syrien zog Obama eine rote Linie, die ohne Konsequenzen blieb. Militärisch einzugreifen kam für ihn nicht infrage, nicht nach den Erfahrungen des Krieges im Irak. Dass er 2011 in Libyen intervenierte, um den Autokraten Gaddafi zu stürzen, bezeichnete er im Nachhinein als schweren Fehler. Die Normalisierung mit Kuba war überfällig. Wirklich gekämpft hat er für das Atomabkommen mit Iran, seinen vielleicht größten Erfolg, errungen gegen härtesten Widerstand.

Und dann ist da noch die Stilikone Barack Obama . Mit welcher Leichtigkeit er durch den politischen Alltag spazierte, die Worte so elegant wie sein Auftreten, beeindruckte selbst seine Gegner. Cool bis in die Haarspitzen. Aber auch emotional bis zu Tränen. Zuletzt bei seiner Abschiedsrede. Und nach dem Amoklauf an der Sandy-Hook-Grundschule in Newtown. Dass er scheiterte bei dem Versuch, die Waffengesetze zu verschärfen, das frustrierte Obama nach acht Jahren im Amt am meisten. Alles in allem hinterlässt er eine gemischte Bilanz.

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