Bundeswehr bleibt Parlamentsarmee

Ohne Zustimmung des Bundestags keine Auslandseinsätze der Bundeswehr: Muss dieses Prinzip neu überdacht werden angesichts fortschreitender Arbeitsteilung in der Nato? „Nein“, urteilt eine Kommission geleitet von Ex-Verteidigungsminister Volker Rühe (CDU) nach einem Jahr Analyse. SZ-Korrespondent Stefan Vetter kennt die Details:

Wo ist das Problem?

Die Bundeswehr ist stärker in die Nato-Strukturen eingebunden worden. Wenn zum Beispiel Transportkapazitäten benötigt werden oder das Luftabwehsystem "Patriot", greift die Nato auf Deutschland zurück. In AWACS-Aufklärungsflugzeugen sitzen multinationale Besatzungen, darunter auch Deutsche. Werden sie bei bewaffneten Konflikten eingesetzt, muss der Bundestag zuvor zustimmen. Geschieht das nicht, müssen die deutschen Soldaten die Maschinen verlassen. In der Union, aber auch bei einigen Nato-Partnern wird deshalb befürchtet, dass Bündnis-Einsätze blockiert oder gefährdet werden könnten.

Was hat die Kommission konkret untersucht?

Auftrag der im März 2014 per Bundestagsbeschluss eingesetzten Kommission war es, "zu prüfen, wie auf dem Weg fortschreitender Bündnisintegration die Parlamentsrechte gesichert werden können". Dabei stand das 2005 verabschiedete Parlamentsbeteiligungsgesetz im Fokus. Es legt fest, dass eine Zustimmung des Bundestages beim "Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte" im Ausland erforderlich wird. Darunter fällt selbst die Entsendung einzelner Militärberater. In den anderen Nato-Staaten wird die Genehmigung lockerer gehandhabt.

Was empfehlen die Experten?

Die Kommission plädiert für eine gesetzgeberische Klarstellung des Einsatzbegriffes, nach der sich auch eine parlamentarische Zustimmung erübrigen soll. Darunter fallen aus Sicht der Experten Einsätze, bei denen die Soldaten entweder unbewaffnet sind oder Waffen nur zur Selbstverteidigung mit sich führen. Hier geht es um logistische Unterstützung, medizinische Versorgung außerhalb von Kampfgebieten oder die Ausbildung ausländischer Soldaten .

Also wird der Bundestag doch geschwächt?

Nicht unbedingt. Denn an anderer Stelle will die Rühe-Kommission die Parlamentsrechte ausweiten. So soll die Regierung verpflichtet werden, die Abgeordneten künftig über Geheimmissionen der Kommandos Spezialkräfte zu unterrichten. Außerdem ist dem Parlament jedes Jahr ein Regierungsbericht über die "multilateralen militärischen Verbundfähigkeiten" vorzulegen. So erhalten die Abgeordneten regelmäßig Einblick in die Nato-Einbindung Deutschlands und daraus resultierende Bundeswehreinsätze.

Hat der Bundestag schon Einsätze abgelehnt?

Nein. Laut Kommissionsbericht wurden seit 1994 von der Regierung 138 Anträge zum Einsatz bewaffneter Streitkräfte gestellt, alle wurden genehmigt. In Einzelfällen sogar innerhalb eines Tages. Gegenwärtig sind etwa 2600 Soldaten im Auslandseinsatz.

Meinung:

Vorschläge zum Nachdenken

Von SZ-KorrespondentStefan Vetter

Die Sorge der Opposition, die Regierung könne fortan im Alleingang Soldaten in alle Welt schicken, hat sich nicht bewahrheitet. Am Parlamentsvorbehalt hält die Rühe-Kommission grundsätzlich fest. Auch ihre vorgeschlagenen Änderungen sind kein Beinbruch. Wenn es um die Entsendung einiger weniger Soldaten in Nato-Kommandoeinrichtungen außerhalb von Kampfgebieten geht, dann muss nicht unbedingt der Bundestag aktiv werden. Auch ist es schon vorgekommen, dass neue Soldaten in einem Einsatzgebiet gleich wieder ausgeflogen werden mussten, weil die alten noch da waren. Ansonsten wäre die im Mandat vorgegebene Obergrenze verletzt worden. Fazit: Die Kommission hat einen nachdenkenswerten Bericht abgeliefert. Er sollte politisch aufgegriffen werden.

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