Diskussionen vor der Bundestagswahl Das Koalitionskarussell dreht sich – wer jetzt vor wem warnt

Berlin · Noch drei Wochen sind es bis zur Bundestagswahl – die Parteien werden zunehmend nervös. Viele Farbenspiele sind möglich, allerorts werden mögliche Regierungsbeteiligungen ausgelotet.

 Bevor klar ist, wer künftig wie stark im Bundestag vertreten ist, wollen sich die Parteien nicht in die Karten schauen lassen. 

Bevor klar ist, wer künftig wie stark im Bundestag vertreten ist, wollen sich die Parteien nicht in die Karten schauen lassen. 

Foto: dpa/Michael Kappeler

In dieser Woche kommt noch einmal der Bundestag zusammen, währenddessen läuft der Wahlkampf auf vollen Touren. Die Parteien bringen sich angesichts des knappen Rennens in Stellung.

Unionskanzlerkandidat Armin Laschet (CDU) hat es satt. Er wolle bis zur Bundestagswahl nicht mehr über Umfragen sprechen, die derzeit die SPD vor der Union sehen. „Dieses tägliche Klicken von Umfragen mag spannend sein. Ich sage, wie es mit Deutschland weitergehen soll“, sagt der CDU-Chef am Montag. Am Wahlabend „zählen wir aus. Und dann sehen wir, wie treffsicher Umfragen waren oder nicht.“

Markus Söder warnt vor der FDP

CSU-Chef Markus Söder wirbt Hunderte Kilometer entfernt für die Union. „Ich unterstütze Armin Laschet zu 100 Prozent“, sagt Söder beim Politischen Gillamoos im bayerischen Abensberg. Als ein Raunen durch die Festhalle zieht, beteuert Söder nochmals: „Ich unterstütze ihn, ich unterstütze ihn.“

Söder weiß ganz genau, dass sich viele nach seinen anhaltenden Seitenhieben in diesem Punkt nicht so sicher sind. Und einen Satz lässt Söder sich auch in Abensberg nicht nehmen: „In Bayern hätten wir ein halbes Prozent mehr bekommen, wenn ich kandidiert hätte.“ Doch das sei „Schnee von gestern“. Söder nutzt seine rund 45-minütige Rede, um eindringlich vor einem Linksbündnis zu warnen und beinahe flehentlich um Stimmen zu werben. Er richtet den Blick auch auf die FDP, die zwar der „geborene Partner“ für die Union sei. Doch nun rücke die FDP jeden Tag „näher an Linke“ heran. Mit Blick auf eine mögliche Ampel-Koalition schließt Söder daraus: „Jeder, der die FDP wählt, bekommt am Ende Rot-Grün.“

Lindner warnt vor Rot-Rot-Grün

 FDP-Chef Christian Lindner wiederum weist die Forderung nach dem Ausschluss einer Ampel deutlich zurück. Da sei jetzt nicht die FDP am Zug, sagt Lindner am Montag. Immerhin seien es ja die Liberalen gewesen, die 2017 mit der Verweigerung eines Jamaika-Bündnisses eine Verschiebung nach links verhindert hätten.

Doch in der Tat legt er sich nicht fest. Auch am Wochenende vermied er eine klare Aussage, ob eine Ampel-Koalition in Frage käme. Er werbe für eine starke FDP mit einer eigenständigen Rolle. „Unser Angebot ist eine Politik der Mitte – angesichts der Flirts von Rot-Grün mit der Linken und auch angesichts der gegenwärtigen Schwäche der Union.“

Walter-Borjans spricht von „Angstkampagne“ der CDU

Im Willy-Brandt-Haus ist es voll am Montag. Die SPD-Chefs Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans treten vor die Presse – und werben vehement für ihren Kanzlerkandidaten Olaf Scholz. Das Land brauche eine „Vertrauensperson“, sagt Walter-Borjans. Olaf Scholz sei das – und hinter ihm stehe eine harmonisch geeinte Führungsmannschaft.

Walter-Borjans wirft der Union eine „Angstkampagne“ gegen ein mögliches rot-grün-rotes Bündnis nach der Bundestagswahl vor. Es handele sich letztlich um ein Ablenkungsmanöver, CDU und CSU hätten „kein Programm“ und „keinen Plan“.

Der SPD-Kandidat wiederum wird am Montag in Paris empfangen. Scholz hebt nach dem einstündigen Gespräch mit Staatspräsident Emmanuel Macron im Élysée-Palast die europäische Souveränität und die deutsch-französische Achse hervor. Dazu gehörten die gemeinsame Beschaffung von Verteidigungssystemen und europäische Antworten auf den Klimawandel.

Auch in Paris verfolgt Umfragefavorit Scholz die Frage einer möglichen Regierungsbeteiligung der Linkspartei. „Wer jetzt sein Kreuz bei der SPD macht, damit er mich als Kanzler bekommt, der wird auch den Kanzler bekommen, den er sich vorstellt – nämlich einen, der auf diese Prinzipien achtet, die für die Sicherheit Deutschlands von Bedeutung sind“, pariert Scholz in Frankreich.

Am Mittwoch wird Unionsspitzenmann Laschet bei Macron erwartet. Die grüne Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock hatte Macron bereits vor Monaten bei einem Abendessen kennengelernt.

Grüne kämpfen mit den Umfragen

Die Grünen erleben gerade zwei Parallelwelten: Einerseits berichtet Bundesgeschäftsführer Michael Kellner von vollen Marktplätzen bei Wahlkampfauftritten von Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock. Andererseits kannte die grüne Kurve in den Umfragen zuletzt vor allem eine Richtung: abwärts. Bei 17 bis 19 Prozent liegt sie derzeit. Kellner betont am Montag, dass man dankbar sei für den Wahlaufruf mehrerer Prominenter. Nach der Wahl wäre ein Bündnis mit der SPD die Wunschkonstellation der Grünen – die Skepsis gegenüber Linken (Differenzen in der Außenpolitik) und der FDP (Steuern) ist aber groß.

Ein „Bekenntnis“ will die Linkspartei nicht abgeben. Diese würden ja „vor allem in der Kirche“ abgelegt, sagt Spitzenkandidat Dietmar Bartsch und lehnt Forderungen aus der SPD nach einem Bekenntnis zur Nato als „abstrus“ ab. Bartsch und Co-Spitzenkandidatin Janine Wissler stellen am Montag ein Sofortprogramm zur Bundestagswahl für eine Koalition mit SPD und Grünen vor – und wollen den Fokus auf anderes richten. Eine sofortige Anhebung des Mindestlohns auf 13 Euro und ein bundesweiter Mietendeckel gehören dazu.

Kategorisch schließt Bartsch eine Beteiligung an einer Regierung aus, „die die Rüstungsausgaben steigert und Waffen in Krisengebiete liefert“. Diese könne es „mit der Linken nicht geben“, sagt er. Auch die Forderung nach einem Ende aller Auslandseinsätze der Bundeswehr wird in dem Sofortprogramm bekräftigt. Die Nato wird dagegen in dem achtseitigen Papier nicht erwähnt.

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