Bundestag beschließt Rechtsterror-AusschussMisstrauen bei Opferfamilien

Berlin. In seltener Eintracht haben die Fraktionen im Bundestag die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zum Rechtsterrorismus beschlossen. Die Abgeordneten votierten gestern einstimmig für einen zuvor gemeinsam formulierten Antrag. Es ist der 39. Untersuchungsausschuss in der Geschichte des Bundestages

Berlin. In seltener Eintracht haben die Fraktionen im Bundestag die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zum Rechtsterrorismus beschlossen. Die Abgeordneten votierten gestern einstimmig für einen zuvor gemeinsam formulierten Antrag. Es ist der 39. Untersuchungsausschuss in der Geschichte des Bundestages. Auch in Thüringen beschloss der Landtag die Einsetzung eines Ausschusses zu diesem Thema.Das parlamentarische Gremium soll die Hintergründe der sogenannten Zwickauer Terrorzelle sowie mögliche Versäumnisse der Sicherheitsbehörden aufklären. Dem Terroristentrio Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt werden zahlreiche Morde an Ausländern bundesweit zur Last gelegt. Die beiden Männer sind tot, Zschäpe sitzt seit geraumer Zeit in Untersuchungshaft.

Auch eine Bund-Länder-Expertenkommission soll eingesetzt werden. Ein Sonderermittler wird die Arbeit des Bundestagsausschusses unterstützen, dem elf Abgeordnete angehören werden. Die Union stellt vier Mitglieder, die SPD drei, die FDP zwei, Grüne und Linke jeweils ein Mitglied. Zu den elf stellvertretenden Mitgliedern des Untersuchungsausschusses gehört auch die saarländische CDU-Bundestagsabgeordnete Nadine Schön. Die beiden kleinen Oppositionsparteien scheiterten mit dem Vorhaben, den Proporz zu ändern, um mehr Einfluss im Ausschuss ausüben zu können.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Fraktion, Peter Altmaier, würdigte in der Plenardebatte, dass sich alle Faktionen auf ein gemeinsames Vorgehen geeinigt hätten. Man solle sich nun nicht "zerstreiten über einzelne prozeduale Fragen", sagte Altmaier. Altmaier warf allerdings der Linkspartei vor, sie habe sich in ihrer 20-jährigen Zugehörigkeit zum Bundestag nicht von "antisemitischen, antieuropäischen und antiamerikanischen Tendenzen" distanziert.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann, bezeichnete es als einen "deprimierenden Befund", dass die Sicherheitsbehörden die Mordserie der Zwickauer Terrorzelle nicht verhindern konnten - "obwohl es möglich gewesen wäre". Er kritisierte, es habe "eine ganze Kette" von Fehlern und Nachlässigkeiten gegeben. Dies habe es den Terroristen leicht gemacht, die Verbrechen zu begehen.

FDP-Innenexperte Hartfrid Wolff bekräftigte, die Bürger hätten einen Anspruch auf Aufklärung. Man müsse nun Fragen stellen wie: "Wer wusste was? Wer hat für den Dilettantismus der Sicherheitsbehörden die Verantwortung? Wie können wir den braunen Sumpf trocken legen?"

Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linke) sagte, der Bundestag schulde den Opfern und deren Angehörigen eine "vorbehaltlose Aufklärung".

Wie die Linken kritisierten auch die Grünen den Proporz des Ausschusses. So fragte Volker Beck, der Parlamentarische Geschäftsführer, in die Reihen der Abgeordneten von Union, SPD und FDP hinein: "Warum fürchtet jemand das gemeinsame Beweisantragsrecht zweier kleiner Fraktionen?" Mit Blick auf die die Zwickauer Terrorzelle und vermeintliche Ermittlungspannen kritisierte auch Beck die deutschen Sicherheitsbehörden scharf. "Das ist eine Tragödie, die nicht wieder gut zu machen ist." dapd

Wie wichtig ist der Ausschuss für die Angehörigen?

John: Die Opferfamilien haben wenige Informationen darüber, was alles inzwischen herausgefunden wurde. Sie sind brennend daran interessiert zu erfahren, was damals passiert ist. Und auch, warum sie damals so demütigend behandelt wurden.

Was ist aus Ihrer Sicht das wichtigste Ziel der Aufarbeitung?

John: Dass man herausfindet, wie die Ermittlungspannen passieren konnten. Man wird das Räderwerk der Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden auf den Prüfstand stellen müssen. Das Zweite ist: Warum konnte es zu dieser Zelle kommen, welchen gesellschaftlichen Hintergrund gibt es dafür und welche Schlussfolgerungen ziehen wir daraus für die Zukunft in allen gesellschaftlichen Bereichen.

Welche könnten das sein?

John: Ein Element ist zum Beispiel, dass wir über unsere Definition von Hassverbrechen im Strafgesetzbuch nachdenken müssen. Die bisherige ist viel zu eng, sie verlangt praktisch, dass die Täter eindeutige Symbole und Bekenntnisse hinterlassen, etwa ein Hakenkreuz. Wir sollten uns zum Beispiel den britischen Kriterien annähern, wo eine fremdenfeindliche Straftat in der Regel von den Ermittlern immer dann in Betracht gezogen wird, wenn das Opfer ein Einwanderer ist. Ich unterstütze ausdrücklich und schon seit Jahren den Vorstoß, den einige Länder jetzt im Bundesrat für eine Gesetzesänderung unternommen haben.

Sie haben erste Gespräche mit den Angehörigen geführt. Hat die Mordserie bei ihnen eine bleibende Angst hinterlassen?

John: Vor allem ein bleibendes Misstrauen. Sie mussten den Verlust ihres wichtigsten Menschen hinnehmen, des Vaters oder Ehemannes, und wurden dann noch verdächtigt, vielleicht etwas mit der Mafia oder Ähnlichem zu tun zu haben. Was soll man von so einem Land halten?

Das vollständige Interview lesen Sie auf www.saarbruecker-zeitung.de

Foto: dpa

"Das ist eine Tragödie, die nicht wieder gut zu machen ist."

Volker Beck (Grüne) mit Blick auf mutmaßliche Ermittlungspannen

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