„Bundesregierung war Totalausfall“

Der Saartalk ist eine Gesprächsreihe von SR und SZ. Die Bundesvorsitzende der Grünen, Simone Peter, und Sahra Wagenknecht, Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag, stellten sich den Fragen von SR-Chefredakteur Norbert Klein und SZ-Chefredakteur Peter Stefan Herbst. SZ-Redaktionsmitglied Jasmin Kohl hat das Gespräch in Auszügen dokumentiert.

Die Grünen-Bundeschefin Simone Peter und die Linken-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Sahra Wagenknecht, stellten sich den Fragen von SR-Chefredakteur Norbert Klein und SZ-Chefredakteur Peter Stefan Herbst (r.). Foto: Oliver Dietze

Die Grünen-Bundeschefin Simone Peter und die Linken-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Sahra Wagenknecht, stellten sich den Fragen von SR-Chefredakteur Norbert Klein und SZ-Chefredakteur Peter Stefan Herbst (r.). Foto: Oliver Dietze

Foto: Oliver Dietze

Klein: Wie sieht Ihre Zwischenbilanz bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise aus?

Wagenknecht: Meine Bilanz ist, dass wir leider eine Regierung haben, die die Probleme nicht mal in Angriff nimmt, geschweige denn ernsthafte Lösungsvorschläge hat. (…) Der Kern des Problems ist, dass viele Städte und Gemeinden in diesem Land natürlich ex tremste Probleme haben, Flüchtlinge unterzubringen und dass sie finanzielle Unterstützung brauchen, und zwar sehr viel mehr, als der Bund zurzeit gibt. Und da finde ich, muss es endlich in Deutschland eine Debatte geben über eine soziale Wende. Wir brauchen mehr sozialen Wohnungsbau, wir brauchen mehr Lehrer und zwar nicht nur wegen der Flüchtlinge . Und dafür brauchen wir auch höhere Reichensteuern (…)

Herbst : Wie gut ist die Bundesregierung das Problem angegangen?

Peter: Also die Bundesregierung war ein Totalausfall in den letzten Monaten bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise. Wie haben zigfach darauf hingewiesen, dass das Geld fehlt für die Unterbringung, (…) dass wir endlich die Verfahren auf ein ordentliches Maß reduzieren. Bisher warten die Flüchtlinge über fünf Monate, bis sie in den Verfahren Bescheid bekommen, und man muss sehen, das ist ja der positive Aspekt, dass das Ehrenamt diesen Totalausfall, das Versagen der Bundesregierung kompensiert. (…)

Herbst : Es gibt aber auch offene Fremdenfeindlichkeit. Sehen Sie die Gefahr, dass das Thema Deutschland spaltet?

Wagenknecht: Also ich sehe vor allem die Gefahr, (…) dass rechte Parteien, rechte Populisten jetzt aus der Verunsicherung oder auch aus den Ängsten von Leuten Kapital schlagen. (…) Man muss allerdings sagen, dafür ist dann eben auch die Bundesregierung mitverantwortlich. (…) Eine kleinere Stadt, die schon vorher Haushaltsnotstand hatte, (…) hat jetzt deutlich mehr Kosten, im Zusammenhang natürlich mit der Integration. Wenn diese Kosten nicht vom Bund aufgefangen werden, muss die Kommune woanders kürzen. Und deswegen gibt es natürlich die berechtigte Angst von Menschen, ob es um Finanzierung von Schwimmbädern oder von Bibliotheken geht (…), dass dort gekürzt wird, um die Kosten für die Flüchtlinge zu tragen. (…)

Herbst : Frau Peter, können Sie sich bei der nächsten Bundestagswahl 2017 eine schwarz-grüne Koalition vorstellen?

Peter: Also im Moment ist der Gedanke daran äußerst schwierig. Wenn man sich anschaut, welche Maßnahmen die Union in der Asylpolitik vorschlägt, wie sie die Europakrise versucht zu bewältigen und eigentlich nur noch verschlechtert.

Klein: Also rückt die schwarz-grüne Koalition weiter weg als 2013?

Peter: Also bestimmt nicht näher. Wir haben jetzt eine Klimakonferenz zu bewältigen, Deutschland geht da drei Schritte zurück, dient der Kohlelobby und fährt die Erneuerbaren Energien verstärkt vor die Wand. (…)

Herbst : Schließen Sie Rot-Rot-Grün mit Sigmar Gabriel als Kanzlerkandidat aus?

Wagenknecht: Ach, mir geht's ja überhaupt nicht darum, wer Kanzlerkandidat ist. Es geht ja darum, welche Politik die SPD machen will. Und das Problem bei Gabriel ist, dass man nicht das Gefühl hat, dass er irgendwie noch mal einen Gedanken daran verschwendet, dass er einer sozialdemokratischen Partei vorsitzt. (…) Herbst : Am Saarland schätze ich besonders…

Wagenknecht: …die unglaublich netten Menschen und die sehr guten Restaurants.

Klein: Frau Peter, der größte Unterschied zwischen Berlin und dem Saarland ist…

Peter: …mit Sicherheit die Küche. Da ist was dran und die Gelassenheit, das Laissez-faire im Saarland. (…)

Herbst : Von Oskar Lafontaine habe ich vor allem gelernt…

Wagenknecht: …eine gewisse Gelassenheit und auch Souveränität, sich nicht immer zu ärgern, wenn irgendwas schief läuft.

Klein: Die große Koalition hat in der Flüchtlingskrise…

Peter: …versagt. Sie hat bislang keinerlei Wege aufgezeigt, wie wir das wirklich schaffen, wie das die Kanzlerin vorgegeben hat. Sondern sie zaudert und zögert und stärkt damit den rechten Rand.

Herbst : An Simone Peter schätze ich besonders, dass sie….

Wagenknecht: …bei den Grünen den linken Teil vertritt. (…)

Klein: An Sahra Wagenknecht schätze ich besonders, dass sie…

Peter: …sich scheinbar öffnet oder vielleicht auch mehr als scheinbar. Dass man Kompromisse machen kann in der Politik und sich dann damit nicht mehr verschließen will, wie das früher in der Partei häufiger zu hören war, Koalitionen einzugehen. Ich hoffe, dass wir dann alle ein paar mehr Machtoptionen haben in Zukunft.

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