Entwicklung in der Pandemie Corona-Regeln: Diese Lockerungen könnten Bund und Länder heute beschließen
Update | Berlin · Vor den Beratungen von Bund und Ländern am heutigen Mittwoch zu den Regeln in der Corona-Krise warnt Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) vor einem völligen Ausstieg aus den Maßnahmen zum Schutz vor einer Infektion. Ungeachtet dessen beraten die Vertreter über weitgehende Lockerungen bis zum Frühlingsbeginn Mitte März. Diese Schritte sieht ein Entwurf vor.
Unmittelbar vor den Bund-Länder-Beratungen zum künftigen Corona-Kurs hat sich Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) gegen ein komplettes Zurückfahren der Corona-Auflagen gewandt. Es sei Zeit für Lockerungen mit Augenmaß, sagte Lauterbach der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Nötig sei aber weiter die Möglichkeit für schnelles und flexibles Reagieren auf die Pandemie. Das Virus verschwinde nicht von heute auf morgen. „Deswegen müssen wir das Infektionsschutzgesetz so formulieren, dass der Basisschutz gewährleistet bleibt und bei Bedarf ausgedehnt werden kann.“ Der SPD-Politiker kündigte an: „Den Text werden wir im parlamentarischen Verfahren ergänzen, so dass auch nach dem 20. März mehr möglich ist als Maske und Abstand.“
Heute beraten Bund und Länder
Bund und Länder beraten am Mittwoch über weitreichende Lockerungen. Nach Ansicht Lauterbachs ist der Höhepunkt der Omikron-Welle überschritten. Unmittelbar vor der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) war Bayern mit einer Fülle von Öffnungen vorgeprescht.
Corona-Regeln: Das könnte heute beschlossen werden
Nach einer ersten Vorlage für die Runde der Länder-Ministerpräsidenten mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) soll der weitgehende Wegfall der Corona-Regeln bis zum Frühlingsanfang am 20. März beschlossen werden. Danach soll es dem Vorschlag zufolge nur „niedrigschwelliger Basisschutzmaßnahmen“ bedürfen – etwa eine Maskenpflicht in Innenräumen. Der Bundestag soll die Rechtsgrundlagen für entsprechende Ländermaßnahmen schaffen, wie es in dem Entwurf von Kanzleramt und MPK-Spitzen heißt.
Lauterbach betonte: „Die Länder brauchen ein größeres Corona- Besteck.“ Auch in der Gesetzgebung müsse man sich auf ein Leben mit Corona einstellen. Der Minister sagte weiter, inzwischen steckten sich weniger Menschen mit dem Coronavirus an. Aber die Zahl der Klinikeinweisungen werde noch mehrere Tage in die Höhe gehen. „Darüber hinaus ist der Anteil der älteren Infizierten gestiegen, ihr Schutz ist aber besonders wichtig“, sagte Lauterbach. „Bisher sind wir gut durch diese Welle gekommen, auch im Vergleich zu anderen betroffenen Ländern in Europa.“ Jetzt sei die Zeit, mit Augenmaß zu lockern. Aber: „Komplett zurückfahren können wir die Corona-Auflagen nicht.“
Der Expertenrat der Bundesregierung hatte im Fall von Lockerungen ein behutsames Vorgehen angemahnt. „Wenn man jetzt von heute auf morgen alle Maßnahmen fallen lassen würde, würde es deutlich längern dauern, bis die Inzidenzen wieder fallen. Man würde riskieren, dass ein Plateau entsteht oder sogar wieder ein Anstieg droht“, sagte auch die Virologin Sandra Ciesek am Dienstag im NDR-Podcast „Das Coronavirus-Update“. Das sei gefährlich für Menschen ohne ausreichenden Immunschutz und Kinder unter fünf Jahren, für die es noch keine Impfung gebe.
Der Drei-Stufen-Plan als Vorlage zur Diskussion:
- In einem ersten Schritt sollen in einem ersten Schritt private Zusammenkünfte für Geimpfte und Genesene wieder mit mehr Menschen ermöglicht werden.
- Im Einzelhandel soll die 2G-Regel bundesweit fallen, die Pflicht zum Maskentragen aber bestehen bleiben.
- Ab 4. März soll es Lockerungen für Clubs, Discos und Gastronomie geben.
- Großveranstaltungen sollen hinzukommen: In Sälen soll eine Auslastung von 60 Prozent möglich sein. Maximal soll die Zahl auf 6000 festgesetzt werden. Maximal 75 Prozent oder bis zu 25 000 Zuschauer wird unter freiem Himmel angepeilt.
- Ab 20 März: Weitere tiefgreifende Schutzmaßnahmen entfallen.
- Verpflichtende Homeoffice-Regel soll ebenfalls gestrichen werden.
Der Handelsverband forderte die Abschaffung sämtlicher Zugangsbeschränkungen beim Einkaufen. „Zutrittsbeschränkungen wie 2G oder 3G für den Einkauf müssen bundesweit vom Tisch“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland (HDE), Stefan Genth, den Zeitungen der Funke-Mediengruppe in der Mittwochausgabe. „Es gibt keine sachliche Begründung, diese Regeln tragen nicht zum Kampf gegen die Corona-Pandemie bei.“
Der Co-Fraktionschef der Linken im Bundestag, Dietmar Bartsch, mahnte vor dem Treffen Behutsamkeit an. Es dürfe jetzt nicht um einen Überbietungswettbewerb gehen, wer der größte Lockerer sei, sagte Bartsch der dpa. „So wie es früher aus meiner Sicht falsch war, zu sagen, wer ist der härteste Corona-Maßnahmen-Ergreifer.“
Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) mahnte erneut zu sorgsamen Schritten an den Schulen. „In den Schulen sollten wir in den kommenden Wochen noch Vorsicht walten lassen. Denn mit gut umgesetzten Hygienemaßnahmen können wir dort sehr viel gegen Infektionen tun“, sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). „Wenn wir die Schüler weiter regelmäßig testen und sie in der Schule Masken tragen, können wir den Präsenzunterricht und den Infektionsschutz gut miteinander verbinden.“ Das sei auch ein Beitrag zur Chancengerechtigkeit. „Deshalb sollten wir noch ein paar Wochen daran festhalten – bis die Infektionslage Lockerungen im Bildungsbereich regional differenziert erlaubt.“ Mecklenburg-Vorpommerns Bildungsministerin Simone Oldenburg (Linke) hatte am Dienstag angekündigt, dass in ihrem Bundesland ab dem 7. März Schüler keine Masken mehr in Klassenräumen tragen müssen.
So reagiert der Deutsche Städte- und Gemeindebund
Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, begrüßt die geplanten Lockerungen der Corona-Schutzmaßnahmen. Er warnt aber vor leichtsinnigen Schritten. „Die Menschen und die Wirtschaft warten jetzt auf ein Hoffnungssignal. Die Welle hat den Scheitelpunkt erreicht, insofern sind Öffnungsmaßnahmen richtig“, sagte Landsberg im Fernsehsender Phoenix. Die Inzidenzen seien aber vielerorts noch so hoch, dass eine Aufhebung fast aller Schutzregeln aus seiner Sicht nicht verantwortbar wäre. „Das wäre der falsche Weg“, so Landsberg.
Weiter Maskenpflicht im ÖPNV befürwortet
Er befürwortet die angekündigten Öffnungsschritte, da die Innenstädte und der „Einzelhandel in den letzten zwei Jahren gelitten haben wie ein Hund“. Er gehöre aber weiter zu den Befürwortern einer Maskenpflicht. „Auch wenn es manchen Leuten als Belastung erscheint, die Maskenpflicht muss aus meiner Sicht noch bleiben, auf jeden Fall dort, wo Sie den Abstand nicht halten können, wie im ÖPNV, im Zug oder dort, wo großes Gedränge herrscht“, sagte Landsberg. Außerdem müsse es weiter Mittel geben, um im Falle neuer Wellen, Maßnahmen zu ergreifen.
„Das Gesetz läuft am 19. März aus, aber wir werden Instrumente brauchen, etwa mit dem Blick auf den Herbst. Gibt es da eine neue Variante? Ist die vielleicht noch viel gefährlicher? Da braucht man einen Instrumentenkasten, nicht dass dann wieder die Diskussion losgeht“, so der Hauptgeschäftsführer des Städtebundes.
Einheitliche Regeln für ganz Deutschland
Im Vorfeld des heutigen Bund-Länder-Treffens fordert er klar verständliche, bundesweit geltende Corona-Regeln. „Die ganzen Maßnahmen hängen davon ab, dass die Menschen sie verstehen und akzeptieren. Umso mehr Regelungen sie haben, umso weniger verstehen die Leute: Warum ist das in Bayern so und in Nordrhein-Westfalen so. Insofern die Mahnung: Versucht wenigstens Leitplanken bundeseinheitlich zu setzen.“
Frage: Wie umgehen mit Impfpflicht?
Auch der Druck auf Ungeimpfte müsse weiter erhöht werden, die Impfquote sei nach wie vor zu niedrig und die Gefahr neuer Wellen entsprechend hoch, mahnte der Hauptgeschäftsführer des Kommunalen Spitzenverbandes. Dennoch müsse die Einführung einer Impfpflicht gut bedacht sein. „Falls eine Impfpflicht kommt, ist die entscheidende Frage: Wie wird das am Ende umgesetzt? Wir plädieren für ein zentrales Impfregister. Eine Pleite wie bei der einrichtungsbezogenen Impfpflicht dürfen wir uns nicht nochmal erlauben“, sagte Landsberg.