Buhrufe für Gauck in Bautzen

Bautzen · Einen Brandanschlag auf eine Asylbewerberunterkunft nimmt der Bundespräsident zum Anlass, im sächsischen Bautzen mit Bürgern über Demokratie zu sprechen. Viele nehmen das Dialogangebot dankend an. Doch Gauck schlagen auch Hass und Ablehnung entgegen.

 Sicherheitsbeamte schirmten Bundespräsident Joachim Gauck von den Störern ab und brachten ihn zu seinem Wagen. Foto: Burgi/dpa

Sicherheitsbeamte schirmten Bundespräsident Joachim Gauck von den Störern ab und brachten ihn zu seinem Wagen. Foto: Burgi/dpa

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Im Probensaal des Sorbischen National-Ensembles in Bautzen hören die Bürger dem Bundespräsidenten mit Interesse, aber auch mit Skepsis zu. Joachim Gauck ist gekommen, um knapp drei Wochen nach dem Brandanschlag auf ein geplantes Flüchtlingsheim in der Stadt über Demokratie zu sprechen. Auch diejenigen unter den 155 geladenen Gästen, die man wohl als "besorgte Bürger" bezeichnen könnte. Joachim Gauck nimmt sie mit Argumenten an die Hand, betont das Wir, die gemeinsame Herausforderung und versucht, sie aus der Ecke genereller Ablehnung herauszuführen. "Ich wünsche mir, dass es uns gemeinsam gelingt, in ein Gespräch zu kommen."

Demokratie brauche Geduld und Kompromissbereitschaft. "Bevor der Kompromiss gefunden wird, haben aber einige schon abgeschaltet", warnt er. "Wir müssen unsere Komfortzonen verlassen. Wir müssen uns auch für Argumente öffnen, die uns fremd sind." Nur so seien die Probleme zu lösen, "nur im Dialog, im demokratischen Dialog". Mit Hetze und Angriffen auf Menschen sei aber eine Grenze überschritten. Erst recht, wenn Brandsätze flögen. Christian Haase, Sprecher einer Bautzener Bürgerinitiative, die sich kritisch mit der Einrichtung eines anderen Flüchtlingsheims in der Stadt auseinandersetzt, hält Gauck die Schwierigkeiten vor. Es geht ihm um Probleme, die der Zuzug der Flüchtlinge bereite. Haase kritisiert zudem die Medien für ihre aus seiner Sicht beschönigende Berichterstattung.

"Probleme müssen angesprochen werden", nimmt Gauck ihm den Wind aus den Segeln. Würden sie nicht offen benannt, überlasse man sie den Populisten, die als "Frustrationsverstärker" wirkten. "Deshalb brauchen wir diese Enteignung des rechten Randes von dem Besitz der Sorgen von Everybody." Eine Frau mittleren Alters beklagt, dass man immer gleich in die rechte Ecke gestellt werde, wenn man sich "kritisch" zur Flüchtlingspolitik äußere. "Wenn ich nicht auf dem Willkommenstrip bin, dann ist das so. Und dann will ich auch, dass das akzeptiert wird", stimmt ihr eine andere Bürgerin trotzig zu. "Wir haben zurzeit eine Störung in der Kommunikation zwischen denen, die wählen oder wählen sollten, und denen, die gewählt worden sind", konstatiert Gauck.

Als Gauck nach knapp zwei Stunden vor die Tür tritt und sich auf den kurzen Weg durch die Altstadt zurück zum Rathaus macht, ist das anders. "Gauck soll raus" und "Gauck verschwinde" schallt ihm entgegen, auch die von Pegida-Demonstrationen bekannten "Volksverräter"-Rufe. Einer von vielleicht einem guten Dutzend offensichtlich rechtsgerichteter und zumeist junger Männer streckt ihm den Mittelfinger entgegen. Die Kriminalpolizei habe Ermittlungen aufgenommen und prüfe, ob die Schmähungen strafrechtliche Relevanz hätten. Die Verunglimpfung des Bundespräsidenten ist laut Strafgesetzbuch strafbar.

Aber die vom Bundespräsidenten zuvor so schön ausgebreitete Decke der Harmonie ist zerrissen. Sein "Hallo" oder "Wie geht's?", das er wohlgesinnteren Passanten noch winkend im Vorbeigehen entgegenwirft, klingen nicht mehr locker.

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