Bürgern drohen höhere Gebühren

Berlin. Ungeachtet der Warnungen vor Abgaben- und Gebühren-Erhöhungen für Bürger halten die Liberalen an ihrem umstrittenen Steuersenkungskurs fest. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund drohte gestern in Berlin, viele Bürger müssten sich wegen leerer Kassen der Kommunen im neuen Jahr auf höhere Gebühren und weniger Leistungen einstellen

Berlin. Ungeachtet der Warnungen vor Abgaben- und Gebühren-Erhöhungen für Bürger halten die Liberalen an ihrem umstrittenen Steuersenkungskurs fest. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund drohte gestern in Berlin, viele Bürger müssten sich wegen leerer Kassen der Kommunen im neuen Jahr auf höhere Gebühren und weniger Leistungen einstellen. Einige Städte und Gemeinden wollen Grundschulen schließen, die Straßenbeleuchtung nachts ausschalten oder beim Heizen in Schwimmbädern sparen. Mitarbeiter von Kommunen müssen teils länger auf ihr Gehalt warten. FDP-Chef Guido Westerwelle bekräftigte jedoch: "Wir tun das, was wir vor der Wahl versprochen haben."

In der Unionsfraktion wächst weiter der Unmut über die Steuersenkungsforderungen der FDP. "Es geht nicht, dass in einer Koalition die einen für Steuersenkungen zuständig sind, und sich die anderen um die Haushaltssanierung kümmern sollen", sagte Unionsfraktionsvize Michael Meister (CDU) dem "Handelsblatt". "Wer die Steuern 2011 senken will, muss auch einen Finanzierungsvorschlag vorlegen", forderte er. 2011 müssten zehn Milliarden Euro bereits ohne Steuersenkung im Bundeshaushalt konsolidiert werden.

Der Städte- und Gemeindebund warnte die Bundesregierung vor weiteren Steuergeschenken auf Pump. Die Kommunen stehen nach eigener Ansicht vor einem besonders schwierigen Jahr. Zwischen Einnahmen und Ausgaben klaffe ein Loch von zwölf Milliarden Euro. Bis 2013 würden es fast 50 Milliarden sein. Das werde "fatale Folgen" für die Infrastruktur und für Bürger und Unternehmen haben, sagte der Präsident des kommunalen Spitzenverbandes, Bautzens Oberbürgermeister Christian Schramm (Foto: dpa). "Die Kommunen werden gezwungen, die Leistungen für die Bürger weiter einzuschränken, die Investitionen zurückzufahren und die Verschuldung zu erhöhen."

Westerwelle sprach von "Theaterdonner" und "künstlich aufgeladenen Debatten", die an ihm abperlten. "Wir halten Kurs", sagte er zu weiteren Steuerentlastungen. Die große Mehrheit der Bevölkerung stütze dies. "Die Kritik an dieser Politik nehme ich mit großer Gelassenheit hin: Es ist die beste Kritik, die man sich als Regierungspartei wünschen kann."

Schramm hielt dagegen: "Es gibt überhaupt keinen Spielraum für Steuersenkungen." 2009 seien die Einnahmen aus der Gewerbesteuer um fünf Milliarden Euro eingebrochen. Deutschland brauche eine vernünftige Steuerreform, damit Bund, Länder und Gemeinden mittelfristig handlungsfähig blieben. Ohne starke Städte und Gemeinden werde es keinen dauerhaften Aufschwung geben. Das Bundesfinanzministerium erklärte, dass den Kommunen mit den Konjunkturpaketen unter die Arme gegriffen worden sei. So habe der Bund zehn Milliarden Euro für Investitionen in die Infrastruktur zur Verfügung gestellt, sagte ein Sprecher. dpa

Meinung

Ohrfeige für

die Koalition

Von SZ-Korrespondent

Hagen Strauß

Das war mehr als das übliche Wehklagen der Kommunen: Die Städte und Gemeinden haben der Bundesregierung völlig berechtigt schallende Ohrfeigen versetzt. Denn insbesondere die Steuerpolitik der Koalition reißt so immense Löcher in die kommunalen Haushalte, dass es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis ein Kämmerer seine Stadt für pleite erklärt. Die Krise schlägt zu - und die Bundesregierung verstärkt die Folgen noch. Das ist wahrlich keine verantwortungsvolle Politik. Denn den finanzpolitischen Kurs der Regierung haben die Bürger auszubaden: In den Kommunen wird ihnen wieder aus der einen Tasche gezogen, was die Koalition ihnen zum Jahresanfang in die andere hineingesteckt hat.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort