Britischer Premier Brown stellt sich Wahlen

London. In einem Monat muss sich der britische Premierminister Gordon Brown (Foto: dpa) erstmals dem Votum der Wähler stellen. Brown legte den Termin für die Parlamentswahl gestern auf den 6. Mai fest, nachdem er bei Königin Elizabeth II. die Auflösung des Unterhauses beantragt hatte

London. In einem Monat muss sich der britische Premierminister Gordon Brown (Foto: dpa) erstmals dem Votum der Wähler stellen. Brown legte den Termin für die Parlamentswahl gestern auf den 6. Mai fest, nachdem er bei Königin Elizabeth II. die Auflösung des Unterhauses beantragt hatte. Bei der Wahl könnte es ein knappes Rennen zwischen Browns Labour-Partei und den oppositionellen Konservativen von David Cameron geben. "Großbritannien ist auf dem Weg der Erholung, und wir sollten nichts tun, was diese Erholung aufs Spiel setzt", sagte Brown, flankiert von seinem gesamten Kabinett, vor seinem Amtssitz in der Downing Street Nr. 10 in London.

Brown, der sich als Finanzminister unter seinem Vorgänger Tony Blair einen guten Ruf erwarb, führte Großbritannien durch die schlimmste Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg. Das Land war von der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise besonders schwer getroffen worden. Der 59-jährige Brown versuchte schon vor dem jetzt eröffneten Wahlkampf seinen Gegner, den 43-jährigen Cameron, als wegen Unerfahrenheit ungeeigneten Premier darzustellen.

Seit Beginn der Wirtschaftserholung im Januar steht Browns Partei in Umfragen wieder deutlich besser da. Während Camerons Tories zuvor 20 Prozentpunkte vor der Labour-Partei lagen, hat sich dieser Vorsprung zuletzt deutlich verkleinert. Nach einer Umfrage im Auftrag der Zeitung "Daily Express" liegt Cameron zehn Prozentpunkte vor Brown, laut einer Umfrage im Auftrag des "Guardian" sind es nur noch vier Prozentpunkte. Er trete mit einer Botschaft von "Hoffnung, Optimismus und Wandel" an, sagte Cameron gestern beim Wahlkampfauftakt der Tories in London. "Diese Gesellschaft verdient etwas Besseres als fünf weitere Jahre Gordon Brown, und das müssen wir anbieten." Cameron hat die britischen Tories gründlich modernisiert, seit er im Dezember 2005 den Parteivorsitz von Michael Howard übernahm.

Die Konservativen sind seit 13 Jahren in der Opposition. 1997 hatten sie unter John Major die Wahlen deutlich gegen Browns Vorgänger Blair verloren. Zum ersten Mal seit 1974 könnte es bei dieser Wahl passieren, dass keine der großen Parteien eine absolute Mehrheit erreicht und eine Koalition erforderlich ist. Damit wären die Liberaldemokraten unter Nick Clegg ausschlaggebend. Der Chef der Mitte-links-Partei sagte gestern: "Nun ist die Zeit gekommen für all diejenigen, die einen echten Wandel und echte Fairness in Großbritannien wollen, etwas anderes zu wählen und sich den Liberaldemokraten zuzuwenden." afp

Meinung

Kandidaten ohne Charisma

Von SZ-Mitarbeiter

Hendrik Bebber

Ein Großteil der Briten sieht sich am 6. Mai vor einer Wahl zwischen Pest und Cholera. Der Ruf von Parlament und Politik ist auf einem historischen Tiefpunkt. Hinzu kommt, dass David Cameron und Gordon Brown bei weitem nicht das Charisma und die Popularität besitzen wie einst Margaret Thatcher und Tony Blair. Von diesem Mangel an echter Begeisterungsfähigkeit bei den großen Parteien werden sicherlich die kleineren Parteien profitieren. Im Zweifel aber halten es die Briten mit der Maxime "Wechsle nie den Gaul in der Mitte des Flusses". Und das ist Gordon Browns größte Chance, vor allem wenn Cameron nicht bald mehr Trittsicherheit und Endspurt-Qualitäten zeigt.

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