Briten bereuen Entscheidung gegen Europa

London/Berlin/Luxemburg · Die Mehrheit der Briten hält den EU-Austritt heute für einen Fehler. Doch der Brexit wird kommen. Kanzlerin Merkel kündigt harte Verhandlungen an.

Gut zehn Monate nach dem Brexit-Referendum bereut erstmals eine relative Mehrheit der Briten die Entscheidung zum Ausstieg aus der EU. Dies ergab eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Yougov für die Zeitung "The Times". Demnach bedauerten 45 Prozent der Befragten das Votum, 43 Prozent begrüßten es und zwölf Prozent waren unentschieden. Ausgangspunkt war die Frage: "Denken Sie im Nachhinein, dass das Vereinigte Königreich recht oder unrecht hatte, die EU zu verlassen?" Die Umfrage zeigt, dass die Briten in der Bewertung des Brexits noch immer tief gespalten sind. So stehen 89 Prozent der EU-Befürworter weiter zu ihrer Entscheidung, bei den Brexit-Befürwortern sind es 85 Prozent.

Viele Befragte blicken zudem skeptisch in die Zukunft. So sind 39 Prozent der Ansicht, dass sich Großbritanniens wirtschaftliche Lage ohne EU verschlechtern wird - 28 Prozent rechnen mit einer Verbesserung. Darüber hinaus meinen 36 Prozent, dass ihr Land weniger Einfluss in der Welt haben wird. 19 Prozent denken das Gegenteil.

Beim Brexit-Referendum hatten Ende Juni vergangenen Jahres 52 Prozent der Briten für und 48 Prozent gegen einen Austritt votiert. Vor wenigen Wochen hatte dann die konservative Premierministerin Theresa May das Austrittsverfahren nach Artikel 50 des EU-Vertrags offiziell ausgelöst. Darauf folgen nun rund zweijährige Verhandlungen zwischen der Regierung in London und der EU.

An diesem Wochenende wollen die Staats- und Regierungschefs bei einem Treffen in Brüssel einen ersten Verhandlungsrahmen abstecken - und dabei von voreiligen Zugeständnissen an das Königreich absehen. Dies machte gestern auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in einer Regierungserklärung im Bundestag abermals deutlich. "Ein Drittstaat, und das wird Großbritannien künftig sein, kann nicht über die gleichen oder gar noch bessere Rechte verfügen wie ein Mitglied der EU", sagte sie und fügte hinzu: "Ich habe das Gefühl, dass sich darüber einige in Großbritannien noch Illusionen machen. Das aber wäre vergeudete Zeit."

Auf diesen Kurs schworen sich gestern in Luxemburg die Vertreter aller 27 verbliebenen Mitgliedstaaten ein. Sie berieten die Leitlinien für die Brexit-Verhandlungen, die morgen beschlossen werden sollen. Wichtigster Punkt für die EU dabei: Sie will, anders als von London erhofft, in zwei Phasen verhandeln. Zuerst will sie über die Zukunft der Millionen EU-Bürger in Großbritannien und die finanziellen Pflichten der Briten reden - diese werden auf bis zu 60 Milliarden Euro geschätzt. Erst in einer zweiten Phase soll es um ein mögliches Freihandelsabkommen gehen.

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