Braunau ringt mit dem schwierigen Erbe Adolf Hitlers

Wien/Braunau. Seit mehr als einem Jahr steht das gelb gestrichene zweistöckige Gebäude in der Altstadt von Braunau leer. Davor residierte in der Salzburger Vorstadt 15 die Behindertenhilfe, nun weiß keiner so recht, was man mit dem renovierungsbedürftigen und unter Denkmalschutz stehenden Haus anfangen soll. Normale Wohnungen wären doch am einfachsten, schlägt der Bürgermeister vor

Wien/Braunau. Seit mehr als einem Jahr steht das gelb gestrichene zweistöckige Gebäude in der Altstadt von Braunau leer. Davor residierte in der Salzburger Vorstadt 15 die Behindertenhilfe, nun weiß keiner so recht, was man mit dem renovierungsbedürftigen und unter Denkmalschutz stehenden Haus anfangen soll. Normale Wohnungen wären doch am einfachsten, schlägt der Bürgermeister vor. Es geht um das Geburtshaus von Adolf Hitler im oberösterreichischen Braunau am Inn.

Der Konflikt um das Haus schwelt seit Monaten und ist nun nach neuen Aussagen des Stadtchefs Hannes Waidbacher von der konservativen ÖVP wieder aufgeflammt. Die Debatte zeigt auch, wie schwer sich Braunau heute noch mit seinem historischen Erbe tut, für das es überhaupt nichts kann. "Wir sind ohnehin stigmatisiert", beklagt sich Waidbacher. Hitler habe die ersten drei Jahre in der Stadt am Inn verbracht, dies sei sicher nicht seine prägendste Phase gewesen. "Wir sind daher als Stadt Braunau nicht bereit, die Verantwortung dafür zu übernehmen, dass der Zweite Weltkrieg ausgebrochen ist." Man habe als Stadt schon "sehr, sehr viel" an Geschichtsaufarbeitung geleistet, deshalb müsse man nicht zwingend in dem Hitler-Haus etwas machen: "Wohnungen wären an dem Standort mit Sicherheit leichter umzusetzen."

Eine Idee, die bei dem Politikwissenschaftler und wissenschaftlichen Leiter der Braunauer Zeitgeschichte-Tage, Andreas Maislinger, nur Kopfschütteln auslöst. Wenn sich bei der Geschichte des Hauses und dem Leerstand in Braunau überhaupt Mieter fänden, müssten alle verfassungsrechtlich überprüft werden: "Stellen sie sich mal vor, da ziehen Neonazis ein." Dem Experten, der sich seit Jahrzehnten für die Aufarbeitung der NS-Geschichte einsetzt, graut bereits vor per Facebook verbreiteten Party-Einladungen zum Feiern in Hitlers Babyzimmer. Er möchte aus dem Haus am liebsten eine Begegnungsstätte für Jugendliche aus aller Welt machen, die sich dort mit Geschichte auseinandersetzen. "Ich kann mir alle Nutzungsmöglichkeiten vorstellen", sagt der Bürgermeister. Seine von den Zeitungen zitierten Aussagen will der spürbar verunsicherte Politiker nicht wiederholen. Im "Kurier" hatte Waidbacher noch eine Gedenkstätte abgelehnt ("gibt es bereits genug in der Umgebung"), nun sagt er: "Wir wollen eine tragbare, leistbare Lösung für alle."

Man prüfe verschiedene Nutzungsmöglichkeiten und könne noch keine Details bekanntgeben, heißt es dort. "Da es sich um ein historisch besonders belastetes Gebäude handelt, sind wir besonders sensibilisiert", sagt Sprecherin Sonja Jell. Man wolle verhindern, dass das Gebäude ein Wallfahrtsort für Menschen mit fragwürdiger Gesinnung werde. Das Innenministerium hat das Haus seit 1972 von der Eigentümerin, die unerkannt bleiben will, gemietet und vermietet es weiter. Die Frau bestehe aber darauf, dass es in dem Gebäude keinen Bezug zum Holocaust wie eine Gedenkstätte gebe, heißt es aus Braunau. Ein Gedenkstein habe auf öffentlichem Grund davor errichtet werden müssen.

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