Bosbach warnt vor Debatte um EM-Gastgeber

Wissen Sie von einem Plan, einige EM-Fußballspiele kurzfristig nach Deutschland zu verlegen?Bosbach: Dass die Polizei für den Fall des Falles vorbereitet sein will, kann ich verstehen

 Wolfgang Bosbach will keine Debatte um Deutschland als alternativen EM-Ausrichter. Foto: dpa

Wolfgang Bosbach will keine Debatte um Deutschland als alternativen EM-Ausrichter. Foto: dpa

Wissen Sie von einem Plan, einige EM-Fußballspiele kurzfristig nach Deutschland zu verlegen?Bosbach: Dass die Polizei für den Fall des Falles vorbereitet sein will, kann ich verstehen. Dennoch war ich über die Auskünfte der Polizeigewerkschaften überrascht, denn es ist mir nicht bekannt, dass der Veranstalter Uefa ernsthaft die Absicht hat, die Spiele der Fußball-EM von der Ukraine nach Deutschland zu verlegen.

Wäre eine solche Verlegung für Sie diskutabel?

Bosbach: Wir dürfen nie vergessen, dass sich Polen und die Ukraine gegen eine Vielzahl von Mitbewerbern durchgesetzt haben. Wenn die Debatte ab jetzt unter der Überschrift "Holt die Spiele von der Ukraine nach Deutschland!" läuft, würden wir uns damit keinen Gefallen tun, denn die Debatte bekäme plötzlich eine gefährliche politische Schlagseite. Keinem politischen Gefangenen wäre damit geholfen.

Wie meinen Sie das?

Bosbach: Es ist richtig und wichtig, dass sich Deutschland offensiv für die politischen Gefangenen in der Ukraine und für eine strikte Achtung der Menschenrechte einsetzt. Aber doch nicht mit dem Ziel, anstelle der Ukraine selber Gastgeber zu werden! Auf diese Weise würde die berechtigte Kritik an dem dortigen Regime nur entwertet.

Welchen Ausweg sehen Sie?

Bosbach: Wenn sich autoritär oder gar totalitär regierte Staaten um ein Großereignis bemühen, steht der Sport immer vor einem Dilemma: Einerseits besteht bei einer Vergabe nach dort die Gefahr, dass die Regime die Ereignisse dazu nutzen, sich und ihre Politik positiv ins Licht zu rücken. Andererseits hofft man darauf, dass sich die Staaten öffnen und dass so die demokratische Opposition und die Menschenrechte gestärkt werden. Wir müssen darauf achten, dass die Maßstäbe immer die Gleichen sind: Es darf nicht sein, dass man einem großen, mächtigen Land wie China die Verletzung von Menschenrechten leichter durchgehen lässt als einem kleinen schwächeren Land.

War es ein Fehler, die EM mit an die Ukraine zu vergeben?

Bosbach: Aus heutiger Sicht ja, zum Vergabezeitpunkt nicht. Man wollte wohl auch die Ereignisse im Zuge der so genannten Orangen Revolution würdigen. Dass diese dann nicht den erhofften Verlauf hatte, konnte man damals nicht wissen.

Sollte die Bundeskanzlerin das Sportereignis boykottieren?

Bosbach: Das ist die souveräne Entscheidung von Angela Merkel, und ich finde es richtig, dass sie sich jetzt noch nicht festlegt, ob sie reist oder nicht. Das sollte man von der Entwicklung der nächsten Tage und Wochen abhängig machen. Auch im Hinblick auf das Schicksal von Julia Timoschenko. Es wäre ein wichtiges Signal der Ukraine, wenn man ihr die Ausreise zur medizinischen Behandlung in Deutschland erlauben würde.

Und welches Zeichen könnte Deutschland setzen?

Bosbach: Es ist ganz wichtig, dass wir uns in dieser Frage eng mit anderen teilnehmenden Nationen abstimmen. Der Protest wird keine besondere Wirkung in der Ukraine hinterlassen, wenn Deutschland damit allein bleibt.

Hintergrund

 Wolfgang Bosbach will keine Debatte um Deutschland als alternativen EM-Ausrichter. Foto: dpa

Wolfgang Bosbach will keine Debatte um Deutschland als alternativen EM-Ausrichter. Foto: dpa

Der inhaftierten ukrainischen Oppositionspolitikerin Julia Timoschenko geht es nach anderthalb Wochen Hungerstreik zusehends schlechter. Ihre Mutter sei "sehr geschwächt" und in schlechter Verfassung, sagte Timoschenkos Tochter Jewgenia am Montag in Prag. afp

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