Bombenwerkstatt in der Vorstadt

Es war ein unscheinbares beiges Wohnhaus mit grünen Fensterläden im Pariser Vorort Argenteuil, das sich die Terrorzelle ausgesucht hatte. Hinter einer dunklen Holztür im vierten Stock bereitete ein Kommando einen Anschlag vor, der an den 13. November erinnern sollte.

Doch die Festnahme von Reda K. vergangene Woche verhinderte die Katastrophe. "Die Entdeckung hat eine Tat von äußerster Gewalt durch ein Terrornetzwerk verhindert, das bereit war zuzuschlagen", sagte der Pariser Staatsanwalt François Molins am Mittwochabend. Von einem "Waffenarsenal und Sprengstoff von nicht da gewesenem Ausmaß" sprach der sonst so nüchterne Jurist. Das Material war offenbar zum Einsatz bereit. "Eine Sache von Tagen" sei das Attentat nur noch gewesen, gab das "Journal du Dimanche" einen hochrangigen Mitarbeiter des Elysée wieder.

Penibel listete Molins alles auf, was die Ermittler in der konspirativen Wohnung fanden: 105 Gramm des Sprengstoffs TATP, wie ihn auch die Attentäter im Konzertsaal Bataclan einsetzten, Sauerstoffflaschen, Azeton, Säure, Kalaschnikows, Handfeuerwaffen, Handys und gestohlene Pässe. In einem Tresor lagerten zudem 1,3 Kilo Industriesprengstoff und sechs Gläschen mit Glyzerinsäure.

Für wen die tödliche Ladung bestimmt war, blieb unklar. "Ein genaues Ziel konnte nicht identifiziert werden", bemerkte Molins. Doch ein Attentat gegen eine Kirche am Osterwochenende gilt als wahrscheinlichstes Szenario. "Die zeitliche Nähe zu Ostern, dem großen christlichen Fest, lässt einen erzittern", zitierte das "Journal du Dimanche" hochrangige Regierungskreise.

Die Polizei war Reda K. schon seit zwei Wochen auf der Spur. Die Anschläge von Brüssel gaben dann den Ausschlag, den Franzosen schnell festzunehmen. Beim Zugriff am vergangenen Donnerstag fanden die Polizisten den Schlüssel zu der Wohnung in Argenteuil, die der 34-Jährige im vergangenen Sommer unter falschem Namen auf Wunsch eines Dritten angemietet hatte. Der Mann, dessen Identität K. nicht preisgab, soll in den vergangenen Monaten auch die Waffen deponiert haben. K, der die Miete jeden Monat in bar zahlte, will lediglich das chemische Material und die Pässe besorgt haben. Er sei kein Terrorist, versicherte der Festgenommene.

Wer seine Komplizen sind, wollte der bereits mehrmals wegen Diebstahls Verurteilte nicht sagen, doch die Polizei geht von mindestens fünf Mitgliedern der Terrorzelle aus, da fünf Kalaschnikows und fünf gestohlene französische Pässe bereitlagen. Einen mutmaßlichen Komplizen nahm die niederländische Polizei am Sonntag in Rotterdam fest. Eine Sim-Carte hatte die Ermittler auf die Spur von Anis B. gebracht, den K. in der Wohnung in Argenteuil beherbergte. Zusammen sollen die beiden Franzosen zwischen Ende 2014 und Anfang 2015 in Syrien gewesen sein.

Die belgische Polizei nahm ihrerseits am Freitag zwei weitere mutmaßliche Helfer von K. fest, zwei 38 und 34 Jahre alten Algerier. Gestern durchsuchten belgische Polizisten zudem ein Wohngebiet in Courtrai, nur wenige Kilometer von der belgisch-französischen Grenze entfernt. In Belgien hatte K. Kämpfer für den Einsatz in Syrien rekrutiert. Es war dasselbe Netzwerk, dem auch der mutmaßliche Kopf der Pariser Attentate angehörte: Abdelhamid Abaaoud.

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