BND-Ausschuss handelte verfassungswidrig Karlsruhe stärkt Parlamentsrechte

Berlin. Das Bundesverfassungsgericht hat mit einer Entscheidung zum BND-Untersuchungsausschuss die Kontrollrechte des Parlaments gestärkt. Die Regierung könne Akten nicht pauschal mit der Begründung zurückhalten, sie beträfen den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung oder das Staatswohl, heißt es in einem gestern veröffentlichten Beschluss

Berlin. Das Bundesverfassungsgericht hat mit einer Entscheidung zum BND-Untersuchungsausschuss die Kontrollrechte des Parlaments gestärkt. Die Regierung könne Akten nicht pauschal mit der Begründung zurückhalten, sie beträfen den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung oder das Staatswohl, heißt es in einem gestern veröffentlichten Beschluss. Die Parteien stritten über eine Wiederaufnahme der Ausschussarbeit. Mit der Beschränkung der Aussagegenehmigungen von Zeugen und durch die Weigerung, angeforderte Akten vorzulegen, habe die Regierung den Informationsanspruch des Parlaments verletzt, urteilten die Karlsruher Richter. Ob etwa der Kernbereich exekutiver Verantwortung berührt ist, hänge von einer "fallbezogenen Abwägung" ab. Arbeit der Dienste schützenMit dem Beschluss gab das Verfassungsgericht weitgehend einer Klage der Oppositionsvertreter im BND-Ausschuss statt, mit der die Kenntlichmachung geschwärzter Dokumente erreicht werden sollte. Es handelte sich um Unterlagen über einen BND-Verbindungsoffizier in Katar, über den der Bundesnachrichtendienst (BND) seine Erkenntnisse während des Irak-Krieges an die USA übermittelt haben soll. "Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nimmt die Bundesregierung mit dem gebotenen Respekt zur Kenntnis", erklärte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm. Nun müsse sie gründlich geprüft werden. Aus Regierungskreisen verlautete ferner, die Bundesregierung habe dem Informationsrecht des Parlaments in größtmöglichem Umfang Rechnung getragen. Gleichzeitig habe sie die notwendigen Vorkehrungen getroffen, die auf Vertraulichkeit angelegte Arbeit der Dienste zu schützen. FDP und Grüne kündigten an, eine Sondersitzung des Ausschusses zu beantragen. Der Ausschuss-Vorsitzende Siegfried Kauder (CDU) schloss dagegen aus, dass das Gremium seine Arbeit wieder aufnimmt. "Das ist verfahrensrechtlich unmöglich", sagte er der "Financial Times Deutschland". "Mir wäre es lieber gewesen, wenn das oberste Gericht während des laufenden Ausschusses sein Urteil gesprochen hätte. Dann hätte die Regierung zeigen können, dass sie detailliert in jedem Fall begründen kann, warum sie bestimmte Akten nicht herausgibt und bestimmte Zeugen ihre Aussage verweigern." Auch der SPD-Obmann im Ausschuss, Michael Hartmann, sagte: "Unser Untersuchungsausschuss ist mit der Annahme des Abschlussberichts abgeschlossen." Wenn trotzdem die BND-Fälle neu bewertet werden sollten, müsse dies ein neuer Ausschuss machen. Der BND-Ausschuss hatte seinen Abschlussbericht zu den Aktivitäten deutscher Geheimdienste im Anti-Terror-Kampf und im Irak-Krieg im Juni verabschiedet. Die Fragen, inwieweit der frühere Kanzleramtschef und heutige Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) Fehler begangen habe, blieb dabei unter den Parteien strittig. afpHerr Stadler, wie bewerten Sie den Richterbeschluss?Stadler: Ich hatte ein solches Urteil erhofft, aber die Klarheit, mit der das Gericht die Rechte des Bundestages gestärkt hat, hat meine Erwartung noch übertroffen. Es zeigt sich, dass die Oppositionsfraktionen eine grundlegende Entscheidung zugunsten der parlamentarischen Kontrolle von Regierungsbeschlüssen bewirkt haben.Gleichwohl kommt der Richterspruch zu spät, denn der BND-Ausschuss hat seine Arbeit im Juni offiziell beendet.Stadler: Aus diesem Grund liegt die Hauptbedeutung des Beschlusses auch in der Zukunft. Weiteren Untersuchungsausschüssen, die es garantiert geben wird, kann man brisante Akten und Zeugenaussagen nun jedenfalls nicht mehr so einfach vorenthalten.Grüne und Linke wollen den BND-Ausschuss noch einmal aktivieren. Was sagt die FDP?Stadler: Noch dauert die Wahlperiode rund zwei Monate an. Deshalb hat die FDP einen Antrag auf Einberufung einer Sondersitzung des Gremiums gestellt, um das weitere Vorgehen abzustecken. Immerhin ist es jetzt zulässig, von der Bundesregierung zu verlangen, dass sie uns vorenthaltene Akten übermittelt. Damit kann sich auch die Bewertung im schon beschlossenen Abschlussbericht des Ausschusses noch einmal ändern.Die SPD lehnt das kategorisch ab. Wenn, dann müsse ein neuer Ausschuss einberufen werden, heißt es dort.Stadler: Noch einmal: Solange die Wahlperiode andauert, kann der BND-Ausschuss seine Arbeit jederzeit wieder aufnehmen, denn als der Abschlussbericht verfasst wurde, haben wir als Oppositionsfraktionen deutlich gemacht, dass dies unter dem Vorbehalt der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gilt. Und die liegt nun vor.

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