Bloß keine Schwäche zeigen

Berlin · Was ist los mit Horst Seehofer? Diese Frage stellen sich Politiker in Berlin – und besonders in seiner Heimat Bayern. Der übermächtige Parteichef soll jüngst einen Schwächeanfall erlitten haben. Oder war es doch mehr?

Gerda Hasselfeldt , CSU-Landesgruppenchefin, hatte mal eine Erklärung parat, warum Horst Seehofer so ist, wie er ist: "Manchmal ist vielleicht zu viel Testosteron im Spiel", so Hasselfeldt zu unserer Zeitung. Da mag was dran sein. Hasselfeldts Begründung allein reicht aber wohl nicht aus. Seehofer ist wie viele seiner Zunft ein Getriebener. Einer, der nur schwer loslassen kann, der vor allem selbst bestimmen will, wie es nach ihm weitergehen soll. Das birgt Gefahren. Auch gesundheitliche.

Am Samstag, während der Premiere der Bayreuther Festspiele, musste Seehofer ins Krankenhaus und die Nacht auf der Intensivstation verbringen. Ein harmloser Schwächeanfall oder doch mehr? Er übe sein Amt als Ministerpräsident "mit großer Gewissenhaftigkeit" aus, ließ der CSU-Chef gestern wissen. "Alles andere würde ich der Bevölkerung mitteilen, wenn es von Belang wäre. Es gibt aber nichts von Belang." Parteifreunde sind dennoch besorgt. Ausgerechnet Seehofers Staatskanzlei-Chef Marcel Huber kommentierte den Vorfall mit den Worten: "Ich weiß nicht, was diese Unpässlichkeit auf Dauer bedeutet."

Die Antwort darauf kennt wohl nur Seehofer selbst. Aber er verfährt nach dem Prinzip: Nur keine Schwäche zeigen oder zugeben. Dabei ist er ein gebranntes Kind: 2001 sprang der heute 66-Jährige nach einer verschleppten Viruserkrankung dem Tod von der Schippe. Damals gelobte er, sein Leben zu ändern, dann bot sich die Chance auf die Spitzenämter in Bayern. Seitdem ist Seehofer als launiger, bajuwarischer An- und Quertreiber unterwegs, der die große Koalition in Berlin gehörig nervt. Alles zum Wohle seiner Bayern, wie er glaubt. Kürzertreten ist da nicht drin. Politik kann dann jedoch erst recht krank machen.

Seehofer ist kein Einzelfall: Matthias Platzeck , einst SPD-Chef und Ministerpräsident von Brandenburg, hielt den Stress nicht durch, er gab beide Ämter widerwillig aus gesundheitlichen Gründen auf. Gregor Gysi musste sich schon eines schweren Eingriffs am Kopf unterziehen, der Linke erlitt vor Jahren angeblich zwei Herzinfarkte. Erst jetzt gibt er sein Amt als Fraktionschef ab. Oder der CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach , der an einer Krebserkrankung leidet. Auch für ihn ist loslassen kein Thema.

Bei Seehofer kommt noch etwas hinzu: Die Konkurrenz schläft nicht, Schwäche kann politisch gefährlich werden. Zwar hat die CSU mit ihm an der Spitze zuletzt große Erfolge eingefahren. Sie holte bei der Landtagswahl 2013 wieder die absolute Mehrheit und bei der Bundestagswahl fuhren die Christsozialen für Kanzlerin Angela Merkel ein super Ergebnis ein. Doch die Zeit nagt am Parteichef - oder besser - seine Partei an ihm. Viele wollen den Generationswechsel; viele haben den harschen Umgang Seehofers mit dem eigenen Personal über. Die bayerische Wirtschaftsministerin Ilse Aigner und Finanzminister Markus Söder balgen sich bereits um die Nachfolge. Kein Wunder, dass die Spekulationen über Seehofers Gesundheitszustand zunehmen. Außerdem musste die CSU jetzt einige politische Pleiten hinnehmen - das Debakel bei der Pkw-Maut, das Aus für das Betreuungsgeld . Beide Projekte sind mit Seehofer eng verbunden.

Beim Parteitag im Herbst sollen nun für den Übergang wichtige Weichen gestellt werden. Gleichwohl will er bis 2017 CSU-Chef und bis 2018 Ministerpräsident bleiben. Bedingung: "Wenn mir der Herrgott die Gesundheit schenkt." Das kann freilich auch Seehofer nicht beeinflussen.

Zum Thema:

HintergrundFür die CSU läuft es bundespolitisch nicht rund: Das Betreuungsgeld : Vor wenigen Tagen kassierte das Verfassungsgericht die umstrittene "Herdprämie". Die Einführung 2013 durch den Bund sei verfassungswidrig gewesen. Bayern will die 150 Euro monatlich dennoch weiter auszahlen. Die Pkw-Maut: Es war ein Coup der Bayern, dass sie die Maut überhaupt im Koalitionsvertrag untergebracht hatten. Doch seitdem müht sich Verkehrsminister Alexander Dobrindt erfolglos an der Umsetzung. Die EU hat bereits signalisiert, das CSU-Herzensanliegen zu kassieren. Flüchtlinge: Die CSU und gerade Partei-Chef Horst Seehofer ecken in der großen Koalition immer wieder mit Äußerungen zu "Asylmissbrauch" an. pbe

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort