Blockiert wie der Verkehr im Herzen New Yorks

New York. US-Präsident Barack Obama verspricht sich mehr von einem Besuch im Fernsehstudio als von Begegnungen mit Staats- und Regierungschefs am Rande der Vollversammlung der Vereinten Nationen. Während er im vorigen Jahr noch ein Dutzend Gespräche mit seinen Amtskollegen einplante, saß er diesmal auf der Couch der Frauen-Talkrunde "The View"

New York. US-Präsident Barack Obama verspricht sich mehr von einem Besuch im Fernsehstudio als von Begegnungen mit Staats- und Regierungschefs am Rande der Vollversammlung der Vereinten Nationen. Während er im vorigen Jahr noch ein Dutzend Gespräche mit seinen Amtskollegen einplante, saß er diesmal auf der Couch der Frauen-Talkrunde "The View". Er brachte selbstgebrautes Bier aus dem Weißen Haus mit und plauderte über den 20. Hochzeitstag mit Michelle.Die Begegnungen mit den Führern aus den verschiedenen Krisenregionen der Welt überließ er Hillary Clinton. Seine Außenministerin sprach mit Libyens Präsidenten Mohammed Magarief über die Situation nach dem Anschlag auf den US-Botschafter in Bengasi, traf erstmals mit dem neuen ägyptischen Präsidenten Mohammed Mursi zusammen und tauschte sich mit ihrer pakistanischen Kollegin Hina Rabbani Khar aus.

Praktisch handlungsunfähig

Dass Obama selbst keine 24 Stunden in New York blieb, mag in einem Land gute Wahlkampf-Taktik sein, dessen Bürger nicht viel von den Vereinten Nationen erwarten. Es ist aber auch Symbol für den Zustand einer Weltorganisation, die praktisch handlungsunfähig ist. Frankreichs UN-Botschafter Gerard Araud brachte die Stimmung vielleicht am besten auf den Punkt, als er meinte, die Uno sei "seit dem Ende des Kalten Krieges nicht mehr so paralysiert" gewesen. Genauer gesagt: der Weltsicherheitsrat, in dem China und Russland jeden Versuch blockieren, der syrischen Zivilbevölkerung zur Hilfe zu kommen.

Dem neuen UN-Sonderbeauftragten Lakhdar Brahimi sind genauso die Hände gebunden wie seinem Vorgänger Kofi Annan, der frustriert das Handtuch geworfen hatte. "Die Situation in Syrien wird von Tag zu Tag schlimmer", stellt Brahimi hilflos fest. Wegen der Blockadepolitik der beiden Veto-Mächte schauen die Vereinten Nationen einigermaßen tatenlos zu. Daran ändert auch die Rüge der Generalversammlung wenig, die mit nur zwölf Gegenstimmen den Sicherheitsrat für seine Untätigkeit geißelte.

Russland Präsident Wladimir Putin taucht zur 67. Vollversammlung genauso wenig auf wie der chinesische Staatschef Hu Jintao. Sie schalten auf Durchzug. Gemessen daran zeigt Präsident Obama immerhin guten Willen. In seiner Rede versprach er, Amerika werde sich nicht aus der Krisenregion des Nahen Ostens zurückziehen. Er verlangte ein Ende des Assad-Regimes und warnte vor einer Atommacht Iran. Es bleibe noch genügend Zeit, eine militärische Auseinandersetzung zu vermeiden. Die USA wollten eine diplomatische Lösung finden. "Aber die Zeit ist nicht unbegrenzt", stellte Obama klar.

Klare Worte in der letzten internationalen Rede Obamas vor den Wahlen im November. Bezüglich der Konsequenzen kann der Präsident allerdings nicht auf die Weltorganisation zählen. Die Vereinten Nationen sind so blockiert wie der Verkehr im Herzen New Yorks während der Vollversammlung.

"Sehr unbefriedigend"

Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle redete nicht um den heißen Brei herum. "Sehr unbefriedigend" sei die Situation. Syrien, Iran, die Unruhen im Nahen Osten - Berlin weiß aus seinem momentanen Vorsitz im Sicherheitsrat, wie mühsam Fortschritte sind. "Wir erwarten keinen großen Durchbruch." Bestenfalls einprägsame Fensterreden. Wie damals während des Kalten Krieges, als Nikita Chruschtschow mit seinem Schuh auf das Rednerpult schlug. Oder vor zwei Jahren, als Muammar al-Gaddafi die UN-Charta zerriss. Ein Ritual ist bereits der Auszug der westlichen Delegationen, wenn Mahmud Ahmadinedschad spricht - in diesem Jahr übrigens zum letzten Mal, weil der iranische Präsident kurz vor dem Ende seiner Amtszeit steht.

Selbst der gewöhnlich höfliche UN-Generalsekretär gibt es auf, der "Mr. Nice Guy" vom East River zu sein. Zur Eröffnung der Vollversammlung verlangte Ban Ki Moon gestern Taten in Syrien. Die Situation dort sei "eine regionale Katastrophe mit globalen Konsequenzen". Ein verzweifelter Appell an eine Organisation, die mehr frustriert als inspiriert und auf dem besten Weg ist, sich endgültig bedeutungslos zu machen.

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